■ Stimmen im Kopf: Ilona Christen ist doch ein Mann
Where do you want to go today? Wenn es nach mir ginge, wäre Werbung gaaaanz anders: Der Melitta-Mann müßte sich mir zur Freude alle paar Minuten seine Zunge am mistig heißen Kaffee verbrennen, was den guten Nebeneffekt hätte, daß er seine Labergusche hält. Ja, ja, halbes Koffein und volles Aroma. Koffeinschock am Morgen. Willkommen im Leben. Und wenn dann noch die Frage auftaucht Wo ist die Lätta?, ist doch der Tag eigentlich schon im A... Am besten erst mal Cetebe mit Zeitperlen einwerfen, denn „so wird mein Körper den ganzen Tag schön mit Vitamin C zugedröhnt“. Viel cooler wäre doch an dieser Stelle, wenn jemand den Joint mit 24-Stunden- Wirkung erfinden würde. „Denn mit dem Zeitgras wird ihr Körper immer mit Hasch versorgt.“ Klasse. Für den großen Appetit zwischendurch.
In der Schule wird die Welt auch nicht bunter, denn Smarties fliegen beim besten Willen nicht durchs Klassenzimmer, und Haribo machen eigentlich keinen mehr froh. Die fette Ulla, die ihr pubertierendes Gesicht jeden Morgen mit Clearasil (nicht nur sauber, sondern porentief rein) desinfiziert, schiebt sich ihr fünftes Yes rein – Kleine Torte statt vieler Worte. Interessiert aber an dieser Stelle niemanden, denn sie ist zur mündlichen LeiKo dran. Sie steht da vorne, Mann, ist die dick, Mann, und was haben ihr die Abertausenden Mentos gebracht? Nichts. Tja, wie verführerisch sind Schoko-Crossies?
Englischstunde: Die Frage nach der deutschen Bedeutung von Mega-Perls und Dry-Weave taucht auf. Riesenperlen und Trockengewebe. Oh Gott – auf dem internationalen Markt, sprich: dem englischsprechenden und vor allem -verstehenden, ist es doch irgendwie peinlich. Leute, mitdenken! Ich flüchte in Gedanken aus dem Unterrichtszimmer, zu Ilona. Gestern habe ich sie noch im TV gesehen. Sie war so süß mit ihrer kleinen, na ja, großen, bunten Brille. Aber Ilona hat mittlerweile die längst fällige Geschlechtsumwandlung hinter sich. Als bierbäuchiger Ariel-Ultra-Man rennt sie immer noch durch die Gegend und belästigt Hausfrauen mit dem Sind Sie sicher?-Test. Sind Sie sicher? So ein Schwachsinn. o.b.-(paßt sich dem Inneren des Körpers an)-Werbung will uns ja auch weismachen, daß Frauen ihre Tage in der Handfläche haben (natürlich sauber und diskret, damit beim Händeschütteln nichts vorbeigeht). Sind Sie bekloppt? wäre wohl die passendere Frage. Aber sind wir nicht alle ein bißchen Bluna? Blöd ist auf jeden Fall der Typ von Volvo – hat in seiner Freizeit nichts anderes zu tun, als sich Äpfel vom Kopf zu schießen... kaum zu glauben. (Deichmann – nee, die längste Praline der Welt.)
Aber im Prinzip, was soll's!? Ich will so bleiben, wie ich bin, ich stelle mich täglich der 40-Grad- Herausforderung, meine Katze würde Whiskas kaufen, Softcake ist jedesmal aufs neue so unverhofft soft, und, nein, mein Pulli ist nicht neu, der ist mit Perwoll gewaschen. The Care Company sorgt für mich, und ich kann beruhigt im elterlichen Wohnhaus, sponsored by der Versicherung mit dem Auf-diese-Steine-können-Sie-bauen nervenden Fuchs, schlafen. Derweilen baut Lefax meine Magengeschwürbläschen rein physikalisch (nicht chemisch) ab, und ich träume von Hella und Möppelchen, die Stars in dem einzigen wirklich knorken Werbespot sind – für Klopapier – die natürlichste Sache der Welt. Das war's von mir, gucken Sie Werbung, dann klappt's auch mit dem Nachbarn.Susanne Klingner
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