: Kram fürs Kabel
■ Die Offenen Kanäle sind die Stiefkinder der Medienpolitik: In Berlin darf der OK nur ins Kabel, in Brandenburg wird erst gar keiner eingerichtet
Als die Bundesländer Berlin und Brandenburg im April 1992 den „Staatsvertrag über die Zusammenarbeit im Bereich des Rundfunks“ schlossen, fand sich darin auch ein Passus über die Möglichkeit Offener Kanäle in Brandenburg. Für damalige Verhältnisse besaß der Vertragstext sogar durchaus progressive Elemente. So schuf er zum Beispiel die finanzielle Voraussetzung zur Betreibung, indem er die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) als Trägerin festlegte. Damit wurde neuen Offenen Kanälen, anders als in Bundesländern wie Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen, in denen lokale, gemeinnützige Vereine die Verantwortung besitzen, eine „Vollfinanzierung“ zugesichert. Ferner schrieb der Vertrag fest, und auch dies war bis dato neu in Deutschland, daß „die Vertreibungswege hierfür von Kabelnetzbetreibern kostenlos zur Verfügung gestellt werden müssen“. Legte man den Erwartungen noch zugrunde, daß dem Offenen Kanal Berlin (OKB), der im August 1985 als dritter (nach Ludwigsburg und Dortmund) seinen Sendebetrieb aufnahm, durchaus eine Vorreiterrolle zukam, waren weitere Offene Kanäle in Brandenburg nicht ganz abwegig.
Doch weit gefehlt: Noch immer ist der OK Berlin der einzige im Zuständigkeitsgebiet der MABB. Was nicht weiter schlimm wäre, wenn den Einwohnern von Potsdam oder Cottbus nicht nur gestattet wäre, den Berliner Kanal zu nutzen, sondern ihn auch zu empfangen. Genau das aber ist ihnen nicht möglich, weil das Programm lediglich über das Berliner Kabelnetz verbreitet wird.
Für den Fernsehbereich ist das nichts Ungewöhnliches, denn der Weg durchs Kabel ist auch in den übrigen Bundesländern gang und gäbe. Anders beim Hörfunk: Als einzige können die Berliner keine UKW-Frequenz nutzen, obwohl sie immerhin das höchste Programmaufkommen aller Offenen Kanäle haben – die Sendezeit von 13 Uhr mittags bis 1 Uhr nachts ist im Radio in der Regel ausgelastet.
Eine Ursache für die blockierende Haltung des Medienrats, der in der MABB die Entscheidungen trifft, ist für den Leiter des OK- Berlin, Jürgen Linke, die Bequemlichkeit der Verantwortlichen. „Früher gab es ja automatisch nur Programme im Kabel. Das hat man dann einfach so beibehalten.“ Möglicherweise wolle man auch nicht, daß „unliebsame Sendungen“ allzu große Bevölkerungsteile erreichen. Da sage man sich, es sei das kleinere Übel, das Amateurprogramm über Kabel zu verbreiten als über Antenne. Obwohl doch gerade die Offenen Kanäle den Grundrechtsanspruch auf freie Meinungsäußerung in besonderem Maße gewährleisteten. Daß dabei auch demokratiegefährdende Randgruppen dieses Medium in Anspruch nehmen, gehört für Linke dazu – zumal die Reaktionen auf die Neonazi-Sendung „Germania“ gezeigt hätten, daß gesellschaftliche Auseinandersetzung stattfinden.
Derlei will man den Brandenburgern offensichtlich gar nicht erst zumuten. Statt, wie es ihre Aufgabe wäre, aktive Informationspolitik zu betreiben, verhält sich die MABB bislang passiv. Während in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt die Medienanstalten intensiv über die Möglichkeiten zur Betreibung eines „Rundfunks der dritten Art“ (OK-Eigenwerbung) berichten, „machen die hier gar nichts“, wie Jürgen Linke beklagt. Es herrsche die Einstellung, so etwas sei ohnehin nicht gewollt. Doch gefragt werde zur Ermittlung der öffentlichen Meinung lediglich die brandenburgische Staatskanzlei.
Von politisch-ideologischen Beweggründen könne man aber nicht sprechen, so Linke. Zwar sei es schon auffällig, daß es in den alten Bundesländern nur in den CDU- regierten Ländern keine Offenen Kanäle gebe, für Berlin und Brandenburg gelte jedoch eine Sonderstellung. Dieser Status beziehe sich darauf, daß die MABB als einzige Medienanstalt im Bundesgebiet keine Behörde, sondern eine Anstalt des Öffentlichen Rechts sei. Deren Mitglieder würden zwar jeweils zur Hälfte vom Berliner Abgeordnetenhaus und vom Brandenburger Landtag gewählt, müßten jedoch „unabhängige Persönlichkeiten“ sein. So dürfte es wohl eher die persönliche Haltung sei, die den Ausschlag für das ablehnende Verhalten gebe, so Linke: „Man verwendet die Energien und das Geld dann lieber für größere Aufgaben als für so einen ,lächerlichen Kram‘.“
Doch ganz so aussichtslos ist die Situation in Brandenburg nicht, schreibt doch die MABB in ihrer Selbstdarstellung: „Die Diskussion über die Einrichtung Offener Kanäle wird vorbereitet.“ Immerhin. Stefan Zeisig
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