Be quiet! Or not. Just be!

■ Von Tomatenfischen und Mountain-Männern oder Die fehlenden 30 Minuten der Inchtabokatables aus Berlin. Ein Porträt der etwas anderen Indie-Band

In den letzten zweieinhalb Jahren haben sie über 120 Songs geschrieben, nur die, derer sie sich absolut sicher waren, kamen auf die am 21. April erscheinende CD. Mit einer Ausnahme: eine Coverversion. Die Rede ist von der Berliner Band The Inchtabokatables, und sie covern die Violent Femmes. Den Text haben sie aus dem Netz, den „Krach“ (O-Ton B.Breuler) schrieben sie selber. Und über noch einen „Gastauftritt“ verfügt die Platte: „Mountain Man“ stammt von B.Breulers Gesangslehrerin. Eigentlich war es nur als Demotape gedacht.

Da die Inchties in den letzten zweieinhalb Jahren dauernd auf Tournee waren, hatten sie wenig Zeit, eine neue Platte einzuspielen. Alle Stücke auf dieser neuen Platte sind vom ersten bis zum letzten Ton so geschrieben, so gemeint und so gewollt. Diese Platte hören sie sich sogar selber gerne an. Im Gegensatz zu anderen Produktionen waren sie diesmal von der Aufnahme bis zum Mastern immer dabei und haben das Projekt ständig überwacht.

Auch das Line-Up hat sich verändert: Der Bassist konnte den ständigen Schuldzuweisungen nicht standhalten und war psychisch so am Ende, daß er kurzerhand das Handtuch schmiß. Er wurde durch einen ehemaligen Backliner ersetzt, der als solcher vollkommen untauglich war (O- Ton B.Breuler: „Wir mußten ihm sogar zeigen, wie man Kabel zusammenrollt“). In Sachen Ernährungswissenschaften kennen sich die Jungs bestens aus. So muß zum Beispiel ein Keks ungesund sein und mit viel Butter. Auch Hundefutter ist ihrer Meinung nach sehr nahrhaft, besitzt nur mehr Konservierungsstoffe als Menschenfutter.

Auch modisch gesehen warten die Inchties mit einer neuen Kollektion auf. So trägt B.Breuler nur noch schwarz-rote Kombis. Diese erweisen sich als sehr praktisch (da sie sich mit einem Ruck öffnen lassen) bei geplanter Ausübung von Sexualität. (Während Kokolores eher widerwärtige Sexpraktiken betreibt.)

Sie selber hören neben ihrer neuen Platte „Quiet!“ noch verschiedene andere Richtungen. Kokolores Mitnichten hört Klassikradio, sonst beliebt er „querbeet alternativ von A bis Z“ zu konsumieren. Immer wieder gerne gehört ist nach Breulers Angaben auch Gary Glitter.

Auch ein kleines Geheimnis wurde gelüftet: Ganz im Vertrauen verrieten sie uns, daß ihr Manager Falco Richter bei der berühmt-berüchtigten Fersehsoap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ Komparse war. Auch für die neue CD gilt das alte Motto „No Guitars!“, trotzdem sind die Songs härter geworden, wurden die alten Spielmannswurzeln unterspült. Sie sind lauter denn je, aber ihre Texte handeln weiterhin vom Leben, Lieben, Hassen in allen Formen.

Der Albumtitel „Quiet!“ steht nicht dafür, daß es ruhiger um die Band geworden ist, im Gegenteil sagt es vielmehr etwas über die Situation im Auge des Hurrikans. Der Hurrikan, in dem sie stehen und der sie gleichzeitig sind. Auf ihren Konzerten versetzen sie regelmäßig scheinbar harmlose Menschen in Zustände wilder Ekstase, wer sie einmal schätzen gelernt hat, kann sich ihrem Sog nie wieder entziehen.

Unberechenbar und ungezähmt leben die Inchtabokatables (was übrigens soviel bedeutet wie „Jemand, der an der Bar steht und so tut, als gehöre die Kneipe ihm, der aber nicht mal sein Bier selber bezahlen kann“) ihr Leben wie ihre Musik, führen eine Existenz auf der Straße, ziehen von Kleinmachnow nach Königsberg, von Brandenburg nach Bristol, von Weißensee nach Woodstock. Antje Vieweger/Sebastian Sooth

The Inchtabokatables: „Quiet!“ (K&P/BMG)