: Der Junkie ist seinem Dealer verfallen
Sponsoring regiert den Sport: Das Diktat der monopolkapitalistischen Drogenpolitik fordert von seinen willfährigen Opfern permanente Höchstleistungen ■ Von Alexander Enders, Michael Grimm und Dominik Margraf
Der Sport durchlebt derzeit einen solchen Boom, daß der Gedanke an unerlaubte Hilfsmittel nicht allzu abwegig erscheint. Zu erkennen ist das besonders im Volkssport Fußball.
Auch dieses Jahr hat der DFB- Pokal wieder seine Sensation. Energie Cottbus gewinnt zu Hause im Halbfinale gegen den Karlsruher SC 3:0. Die noch unbekannten Brandenburger besiegten die europäisch etablierten Badener. Doch nicht die Energie-Fangemeinde wird sich euphorisch die Finger reiben. Noch erfolgreicher dürfte das Spiel für den Hauptsponsor Super Illu verlaufen sein. Die Ostgazette hatte aufgrund ihrer geschickten Sponsoringstrategie ein bundesweites Forum, um ihre Zeitung an den Mann zu bringen. Wertvollste Werbeplätze in TV und Presse wurden von den Cottbusern hingebungsvoll erkämpft. Der Dank gilt den Spielern und Kameraleuten. Die Kaufzeitschrift hat über 90 Minuten bewiesen, wie volksnah sie ist. Tapfer erspielte die Mannschaft den Sieg für ihren Geldgeber. Die „elf Schwerstarbeiter“ bemühten sich um jeden potentiellen Illu-Abonnenten, schwitzten um jeden zukünftigen neuen Käufer und überzeugten auch den letzten von der Bissigkeit des Journals. Ein jeder Fußballspieler gab Herz und Leder, um das Image des Blattes aufzupolieren. Sowohl dem kritischen Fußballgenießer als auch dem sich auf der Suche nach informativen Zeitschriften Befindenden dürfte nun geholfen sein. Eine Situation, die puren Neid in so manches Managerherz frißt.
Auch die Geldgeber von Mercedes wären auf dieser Feier gern dabeigewesen. Doch sie feiern schon an anderer Stelle. Der Umsatzgewinn des Großunternehmens ist dem Engagement in den Massensportarten Tennis und Fußball zugute zu schreiben. Durch gezielte Nachforschungen wurden die deutsche Fußballnationalelf und die ATP-Tour als positive Image- und Sympathieträger ausgemacht. „Wir finden auf dem Tennisplatz genau die Menschen, die wir mit unseren neuen und bewährten Produkten ansprechen wollen“, so Graf Vitzthum, Mitglied der Mercedes-Chefetage. Auf diversen Festen tragen die Sportler das Emblem ihres Dienstwagens auf der Brust. Der Stern prangt dort mit gutem Gewissen, da sie den Genuß des Luxuswagens aus eigener Erfahrung zu schätzen wissen. Die Firma ist sich „der Breitenwirkung durchaus bewußt“ und nimmt sie auch gern in Kauf.
Neben dem Vertrauen in das Glück des Tüchtigen werden Marktforschungen durchgeführt, die das „öffentliche Interesse nach neuen In-Sportarten“ durchleuchten. Hat der Markt diese hervorgebracht, werden sie als zukunftsfähige Partner angenommen. Das ständige Auf und Ab innovativer Sportarten ist hierfür förderlich. Deren schnelle Rotation ermöglicht die Kontaktaufnahme mit vielen Fangruppen. Die Massen, die beworben, also beeinflußt werden können, sind nicht kleiner als ihre Kaufkraft. Aber auch der Sport als solcher wird gefördert. Getreu dem Motto „Tu Gutes und rede darüber“ wird dieser „Nebeneffekt“ in den Vordergrund geschoben. Besonders wird dieses Motto bei der Recyclingfirma Alba aus Berlin verfolgt. Der Sponsor der Berliner Basketballer ist aus dem Vereinsnamen kaum noch fortzudenken. Das saubere Image des „wahnsinnstollen Sports“, so die PR-Abteilung der GmbH, ist vollends auf die Müllfirma anzuwenden. Der Name ist auch für den Verein imageweisend. Nur durch „sauberen und fairen Spielgeist“ scheinen Erfolge verdient.
Die Vereinspolitik ist für die Recyclingfirma nicht interessant, sie wird ganz den zuständigen Instanzen überlassen. Deshalb ist die Kompetenz des Vereinsmanagers Baldi sogar für die Geldgeber unantastbar. Der Pokalsieger sieht sich einem loyalen Geldgeber gegenüber. Selbst Niederlagen werden vergönnt, solange sie „mit Anstand geschehen und bis zum Ende gekämpft wird“. Ein Finanzier, dem man mit Wohlgesonnenheit begegnet; PR-Aktionen in Müllautos werden eher als ein witziges Erlebnis denn als Vergewaltigung der eigenen Person angesehen.
Der Junkie Sport ist endgültig seinem Dealer verfallen. Dieser ist nur noch daran interessiert, das Letzte, womöglich aber auch das Beste aus dem verblendeten Verfallenen herauszuholen. Dem Benutzer ist seine Situation deutlich, doch ist sein einziges, sein existentielles Bestreben, den nächsten Kapitalschuß zu bekommen, um aufzuleben, um zu glänzen in einer Art, die unmöglich scheint, es vielmehr sogar ist. Im Sponsoring ist die „Drogenpolitik“ endgültig liberalisiert. Diese gänzliche Freigabe ist ein Test, den es zu beobachten gilt. Nicht nur in Holland.
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