: Pilgerzelte im Flammenmeer
Fast 250 Menschen starben bei einem Großbrand in der Muslimen heiligen Stadt Mekka. Die Zahl der Toten steigt weiter. Die alljährliche Wallfahrt war schon öfter eine Fahrt in den Tod ■ Von Jan Blume
Berlin (taz) – Bei dem Großbrand in einem Pilgerlager nahe Mekka sind nach Agenturberichten fast 250 Menschen ums Leben gekommen. Augenzeugen berichten hingegen von mehr als 300 Toten. Annähernd 2.000 Pilger, die vor allem aus Pakistan, Indien und Bangladesch angereist waren, erlitten durch den Brand Verletzungen. Tausende verloren durch das Feuer ihr Hab und Gut.
Der Brand wurde vermutlich durch eine explodierende Gasflasche am Dienstag abend ausgelöst. Starke Wüstenwinde und Temperaturen um 40 Grad Celsius verwandelten das Lager nach Augenzeugenberichten schnell in ein Flammenmeer. Mindestens 70.000 Zelte verbrannten in dem Großfeuer, das sich auf einer Fläche von mehr als 25 Quadratkilometer ausdehnte. Erst nach dreieinhalb Stunden konnte der Brand gelöscht werden. Auf der panischen Flucht vor den Flammen wurden viele Pilger zu Tode getrampelt.
Rund zwei Millionen Gläubige aus aller Welt halten sich derzeit in der Umgebung von Mekka bei den jährlichen Zeremonien der Wallfahrt (Hadsch) auf. Jeder Muslim, der körperlich und finanziell dazu in der Lage ist, muß einmal in seinem Leben den Geburtsort des Propheten Muhammad besuchen und den Ritualen der Pilgerfahrt nachgehen.
Schon in der Vergangenheit war es bei den Veranstaltungen zu zahlreichen Zwischenfällen gekommen. Bei dem bislang schwersten Unglück am 2. Juli 1990 starben 1.426 Menschen in einem Tunnel. Durch einen Stromausfall war das Licht ausgefallen. Danach versuchten die etwa 5.000 Menschen, die sich im Tunnel aufhielten, bei hohen Temperaturen und Sauerstoffmangel ins Freie zu fliehen. Augenzeugen berichteten von „einer wahren Hölle“. Gestürzte Pilger seien bei der Flucht zerquetscht worden.
1994 wiederholte sich ein ähnliches Unglück, als ebenfalls in einem Tunnel eine Massenpanik ausbrach und 270 Menschen zu Tode getrampelt wurden. Pilger, die meisten aus der Türkei, hatten sich zu einer rituellen Steinigung versammelt.
Neben den Unglücksfällen durch panische Fluchtversuche gab es in den letzten Jahren auch andere Ereignisse, die den rituellen Ablauf überschatteten. Das Königreich Saudi-Arabien schritt zuletzt hart gegen politische Demonstranten ein. Im Juni 1987 war es in Mekka zu den bislang schwersten blutigen Auseinandersetzungen zwischen iranischen Pilgern und der saudischen Polizei gekommen. Damals wurden 402 Menschen getötet, über 600 wurden verletzt. Die Pilger aus dem Iran hatten eine antiamerikanische Demonstration veranstaltet.
Auch in diesem Jahr befürchtete das Königreich Unruhen. Im Vorfeld des Hadsch begann Saudi- Arabien daher, die Grenzpatrouillen an den acht Nachbarstaaten zu verstärken. Die Regierung wollte nicht nur politisch motivierte Demonstranten, sondern vor allem Diebe, Bettler, Schmuggler und Gewalttäter aus Saudi-Arabien fernhalten.
Die Wallfahrt nach Mekka wird aber auch ohne die Unglücksfälle für viele eine Fahrt in den Tod. Jährlich erliegen zahlreiche Pilger den gesundheitlichen Strapazen der Reise. Temperaturen von über 40 Grad Celsius belasten vor allem ältere Menschen.
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