: Lieber eigen & lebendig als nur Konkurrentin
■ Das Verhältnis von Frauen zu Karriere, Politik und Macht
Berlin (taz) – Aktiv sein heißt für Frauen oft, nicht nur mit einer Gruppe für eine bessere Welt zu kämpfen und zu lachen, sondern sich auch innerhalb der Gruppe durchsetzen zu müssen. Und zwar immer dann, wenn sie weit genug in die Machtbereiche eingestiegen sind, daß sie Männern Plätze „wegnehmen“. Immer dann, wenn sie selbstbewußt genug sind, um die Macht zu fordern, die ihnen zusteht, dann beginnt die destruktive Kritik. Denn wenn Frauen ihren Raum einfordern, dann wird ihnen vorgeworfen, sie suchten nach Problemen, die nicht daseien, oder sie wollten sich nur wichtig machen. Oder man schiebt sie in die Frauenecke ab, belächelt sie, wenn sie wieder mit ihrer feministischen Perspektive ankommen, und ist froh, daß sie sich aus der Wirtschaftspolitik raushalten. Feminismus-Schublade auf, Emanze rein, Feindbild-Schublade zu.
Und da sagt doch Diane Weigmann in der gestrigen taz, sie bräuchte keine Feindbilder mehr. Ihr Bild vom Feminismus scheint mir allerdings genauso ein Feindbild, dessen Klischee sie krampfhaft vermeidet.
Zur feministischen Kritik gibt es verschiedene Ansätze: Da sind die, die bloß keine Hierarchien mehr wollen, denn davon haben sie genug. Wie ein Anachronismus scheint es ihnen, Macht über irgend jemanden ausüben zu wollen. Ihre Utopie ist die Anarchie. Sie wählen die lose Form des Widerstandes, vor dem Zirkuszelt, in Gorleben, in der Schule, aber nicht in einer Machtposition.
Andere wollen das Feld nicht denen überlassen, die zulange an der Macht waren. Die alte Frage stellt sich: Wie ein unfaires System ändern, in dem frau sich erst behaupten muß, um ändern zu können? Hier fehlen Ansätze, es besser zu machen. Frauen lassen sich immer noch gegeneinander ausspielen, kommen selbst nicht ohne Anpassung an die Spitze.
Aber warum machen Frauen Politik? Sind sie sich der ungleichen Ausgangslage bewußt? Denn Macht wertet Männer auf, Frauen steht das Wollen nicht gut, sie sollen immer noch lieber ausgleichend sein. Sind sie sich jedoch keiner Unterschiede der weiblichen und der männlichen PolitikmacherInnen bewußt, trauen sie sich oft weniger zu. Sie leisten die Hintergrundarbeit, während sich die Männer in ihren verantwortungsvollen Posten profilieren.
Gibt es dann dank Quote trotzdem reservierte Plätze, zögern Frauen: Sie könnten das nicht, seien nicht qualifiziert genug. Und außerdem gehe so ein Machtjob gegen ihre Prinzipien. Dazu kommt oft das Quoten-Vorurteil: Wer so einen Job einnehmen will, muß auch qualifiziert dazu sein — und kommt dann auch ohne Quote durch. Nur daß frau eben 150 Prozent leisten muß, um als genauso erfahren wie ein 100prozent-Mann zu gelten. Und frau gesteht sich immer noch viel weniger Kompetenz zu, als sie hat. Um dieses Hemmnis abzubauen, ist die Quote da. Sobald wir Gleichberechtigung haben, hat die Quote ihren Zweck erfüllt und kann gehen.
Und Macht kann auch Spaß machen, wenn sie genutzt wird, um Politik spannender zu gestalten. Und da haben Frauen, die noch in der schlechteren Lage stecken, tendenziell eine bessere Chance, die Fehler des Systems zu erkennen und mit neuen Methoden konstruktiver zu arbeiten. Den Männern wird also nichts genommen — auch sie profitieren von dem Aufbruch der Frauen. Ilka Schröder
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