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Beerdigung in aller Stille

Die Große Koalition sitzt angekündigte Parlamentsreform aus. Einzige Veränderung: Die Opposition hat künftig noch weniger Möglichkeiten, Einfluß zu nehmen. Sie rannte mit ihren Vorschlägen bei CDU und SPD gegen eine Wand  ■ Von Barbara Junge

Gähnende Leere im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses. Donnerstag abend vergangener Woche um 19.30 Uhr. Verzweifelt müht sich die sozialdemokratische Abgeordnete Kirsten Flesch, in ihrer Rede einen roten Faden zu finden. Auch die erhofften belebenden Einwürfe und Proteste aus den Bänken der CDU bleiben aus. Es ist niemand da, der oder die sich zum Widerspruch hinreißen ließe. Schließlich geht es ja nur um die Parlamentsreform.

Eines der großen Projekte der Großen Koalition wurde am vergangenen Donnerstag in aller Stille zu den Akten gelegt: Nicht der Fraktionsvorsitzende der SPD, Klaus Böger, ergriff bei der Plenardebatte am Donnerstag das Mikrophon, um die Reform voranzutreiben. Auch auf seiten der CDU hielt sich das Engagement in Grenzen. Hubert Rösler, der christdemokratische Mann für die schwierigen Themen, zu denen die Fraktion keine eindeutigen Worte sagen möchte, hatte die Aufgabe übernommen, den Stillstand in Sachen Parlamentsreform für die CDU zu vertreten. So sehr die Opposition auch gegen die Wand des Schweigens anrannte, für grundlegende Reformvorschläge konnten PDS und Bündnisgrüne weder CDU noch SPD begeistern.

Schon seit 1991 verspricht die Große Koalition die Stärkung der parlamentarischen Rechte der Opposition, eine erhöhte Transparenz parlamentarischer Entscheidungen, die Verkleinerung des Parlaments, eine Unvereinbarkeit von öffentlichem Amt und Abgeordnetenhausmandat und die Straffung der Parlamentsarbeit – übrig geblieben ist bislang indes lediglich die Straffung der Ausschüsse, des Präsidiums und eine auf halbem Weg steckengebliebene Verkleinerung des Parlaments.

Mit der Abschaffung des Frauenausschusses, des Ausländerausschusses und des Ausschusses für Kultur haben CDU und SPD den Großteil ihres gemeinsamen Reformwillens erschöpft. Gemeinsam werden sie noch die Reduzierung der Vizepräsidenten auf zwei statt drei Posten beschließen und die parlamentarische Wahl der Mitglieder für den Verfassungsschutzausschuß. Und das war's dann vermutlich.

Zwar hatten die SozialdemokratInnen auch einen Fraktionsantrag zur Verringerung der Mandate auf 100 eingebracht und einen zur Verschiebung des Verhältnisses von Direkt- zu Listenmandaten von 60 zu 40 auf 50 zu 50 – doch mit der CDU, so verkündet diese schon lange, wird kein Weg dort hinführen. Schon in der Koalitionsvereinbarung der vergangenen Legislaturperiode zwischen CDU und SPD war die Modifizierung des Wahlgesetzes festgeschrieben worden: „Die Hälfte der Abgeordneten soll nach den Grundsätzen der relativen Mehrheitswahl, die andere Hälfte über Listen gewählt werden“, heißt es in der Koalitionsvereinbarung. Im Wahlgesetz steht jedoch noch immer das Verhältnis von 60 zu 40.

„Noch ist das Verfahren nicht beendet“, hofft der Geschäftsführer der Bündnisgrünen, Jürgen Wachsmuth, „aber bislang sehe ich nur die Streichung von Rechten der Opposition“.

Die Vorwürfe der Bündnisgrünen sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Reduzierung der Ausschüsse strafft zwar die parlamentarische Arbeit, hat aber mit dem in der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD formulierten Anliegen, „die Initiativ- und Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Regierung gerade vor dem Hintergrund einer Großen Koalition“ zu stärken, nicht mehr viel zu tun. Durch die Streichung eines Vizepräsidenten- Postens entfällt eine parlamentarische Einflußmöglichkeit der Opposition, durch die gewachsene Aufgabenfülle der reduzierten Ausschüsse müssen, so ist zu befürchten, die sogenannten Randthemen untergeordnet behandelt werden. Und die Wahl der Mitglieder des Verfassungsschutzausschusses gibt der Großen Koalition ein Instrument in die Hand, die Kontrolle des sensiblen Bereiches Verfassungsschutz ihrerseits zu kontrollieren. Unliebsame Vertreter, wie der von der CDU heftig bekämpfte PDS-Abgeordnete Frederik Over, könnten so aus dem Ausschuß herausgehalten werden.

Harald Wolf, Fraktionsvorsitzender der PDS, betrachtet die Reformschritte denn auch ebenfalls als „Beschneidung von Rechten der Opposition“. Wolfs Urteil über die Plenardebatte der vergangenen Woche: „Eine Beerdigung dritter Klasse“.

Die SPD-Fraktion weist solche Vorwürfe weit von sich. Fraktionssprecher Peter Stadtmüller beharrt darauf, daß die SPD schließlich gegen den Willen ihres Koalitionspartners Anträge zur Verkleinerung des Parlaments eingebracht habe und die Reduzierung der Ausschüsse nur dem Neuzuschnitt der Senatsressorts entspräche. Aber auch bei den SozialdemokratInnen blitzt die Einsicht auf, daß die weitere Reform des Parlaments nicht die wahrscheinlichste aller Varianten ist. Stadtmüller: „Klaus Böger hat der CDU signalisiert, daß sie es sich bis Mai durch den Kopf gehen lassen sollen.“ Dann soll, so die SozialdemokratInnen, das Paket aus Bezirksgebietsreform und Parlamentsreform entscheidungsreif sein. Wer anders plane, handle verantwortungslos. Die CDU will sich Derartiges von den SozialdemokratInnen nicht sagen lassen. Sie steht, sagt Fraktionssprecher Markus Kauffmann, hinter ihren Beschlüssen. Kauffmann: „Gemeinsam mit der Bezirksreform werden wir die weiteren Schritte zur Parlamentsreform noch vor der Sommerpause gehen“. Aber wie hatte Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) in der vergangenen Woche angedeutet: Er könne sich eine Verschiebung der Bezirksreform im Notfall auch auf das Jahr 2003 vorstellen.

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