Duma will brave TV-Filme aus eigenem Haus

■ Den russischen Abgeordneten gefällt es nicht, wie das Fernsehen über sie berichtet

Moskau (taz) – Wie andere Völker auch, geben sich die RussInnen im allgemeinen mit dem zufrieden, was gerade gezeigt wird, wenn sie ihr Tageslauf an die Flimmerkiste führt. Nicht so die Deputierten der russischen Staatsduma. Am Dienstag stellte sich heraus, daß sie zumindest eines nicht mehr zu ertragen gewillt sind: sich selbst so zu sehen, wie sie auf allen Fernsehkanälen des Landes nun mal erscheinen. Brüllduelle, Handgemenge oder schlafende Abgeordneten sollen nicht mehr, wie bisher, der Bevölkerung brühwarm zum Abendbrot serviert werden. So wurde ein Gesetz verabschiedet, demzufolge nach einer Übergangszeit von sechs Wochen nur noch der Duma-Pressedienst im Plenarsaal filmen darf. Fernsehjournalisten können dann nach den Sitzungen die Videobänder mit der aus gnädigem Blickwinkel aufgenommenen Parlamentsidylle abkupfern.

Der Wunsch, die eigenen Aktivitäten weichzuzeichnen, regte sich bei den DienerInnen des Volkes im Februar, als die kreuzbrave, halbstaatliche Fernsehgesellschaft ORT mit mehr Glück als Verstand die volle Debatte über das Anti- Pornographie-Gesetz filmte. Die Ausstrahlung des Materials erzielte gewaltige Lacherfolge im ganzen Land. Das Parlament fühlte sich verunglimpft und erteilte der ORT Hausverbot. Ohne Erfolg. Die ORT-Reporter gewannen eine Klage vor Gericht.

Am Dienstag forderte nun Rechtsaußen Wladimir Wolfowitsch Schirinowski (LDPR), allen großen russischen Fernsehanstalten die Lizenzen zu entziehen. Der Vorschlag erwies sich aber als gesetzlich kaum durchführbar. Schirinowski inszeniert notorisch Skandale in der Duma. Auf sein Konto geht die am häufigsten im Fernsehen wiederholte Raufszene, bei der er eine weibliche Abgeordnete an den Haaren durch die heilige Halle zerrte. Gerade für Politiker seines Schlages, für die das Rowdytum untrennbar zum Image gehört, könnte das neue Gesetz zum Bumerang werden. Es soll die Dokumentation ernsthafter gesetzgeberischer Arbeit begünstigen. „Vielleicht“, so ein ORT- Journalist schadenfroh, „haben wir Wladimir Wolfowitsch heute abend zum letztenmal im Fernsehen gesehen.“ Barbara Kerneck