Rot-grüne Qual der Wahlabsprache

■ Grünen-Sprecher Trittin hat Kandidatenabsprachen mit der SPD vorgeschlagen und damit vorerst verhindert

Berlin (taz) – Der Vorschlag des Bundesvorstandssprechers der Bündnisgrünen, Jürgen Trittin, Wahlkreisabsprachen zwischen SPD und Grünen zu treffen, ist in der SPD verhalten aufgenommen worden. Der stellvertretende Parteivorsitzende Wolfgang Thierse erklärte gegenüber der taz, das Ziel, auf diese Weise Überhangmandate der CDU zu verhindern, sei ihm sympathisch, doch sei er skeptisch, ob solche Absprachen von der grünen Basis auch eingehalten werden. Er empfehle ein „Bündnis der intelligenten Wähler“, wie es zu Zeiten der sozialliberalen Koalition bestanden habe. Damals seien viele FDP-Wähler dem Aufruf gefolgt, SPD-Direktkandidaten zu wählen. Er befürworte, daß auch bei der kommenden Wahl der aussichtsreichere Kandidat unterstützt werde.

Ganz so hatte sich das Trittin allerdings nicht gedacht, als er am Dienstag ankündigte, er wolle SPD-Chef Oskar Lafontaine vorschlagen, in bestimmten Wahlkreisen die Erststimmen auf den Kandidaten nur einer Partei zu konzentrieren. Der Grünen-Vorstandssprecher wollte auf diese Weise verhindern, daß das Wahlergebnis durch Überhangmandate der CDU „auf den Kopf gestellt“ werde. Allerdings hatte Trittin ein Geschäft auf Gegenseitigkeit im Kopf, denn in einzelnen Wahlkreisen hätte ein grüner Kandidat mit Unterstüzung der SPD durchaus Chancen gegen die CDU – so zum Beispiel Joschka Fischer in Frankfurt am Main.

In der SPD wundert man sich allerdings, weshalb Trittin, statt mit der SPD darüber zu reden, mit diesen Überlegungen an die Öffentlichkeit gegangen ist. Das sei der sichere Weg, einem solchen abgestimmten Vorgehen frühzeitig den Garaus zu bereiten. Die Frankfurter SPD-Unterbezirksvorsitzende Rita Streb-Hesse reagierte denn auch sofort auf Trittin und erteilte einer Absprache für Fischers Wahlkreis eine Absage. Für den SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering ist es „nicht vorstellbar“, daß „demokratische Parteien einen offenen Handel“ vereinbaren. Das müsse, so meint auch Thierse, zu Verärgerungen an der Basis führen. Denkbar sei aber, daß sich vor Ort Vertreter beider Parteien zusammensetzen und über ein angemessenes Vorgehen berieten. Thierse spricht dabei durchaus in eigener Sache: Mit grüner Unterstützung hätte er 1994 seinen Wahlkreis gegen die PDS gewonnen. Dieter Rulff