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Grüne auf Kreuzzug

■ Grüne und evangelische Kirche normalisieren ihre Beziehungen. Erstes offizielles Treffen ergab Konsens in der Sozialpolitik und Streit um Religion in der Schule

Nach jahrelanger gegenseitiger Nichtbeachtung beginnen die Grünen und die evangelische Kirche einen offiziellen Dialog. Am Mittwoch machten Landes- und Fraktionsvorstand zum erstenmal der evangelischen Kirche ihre Aufwartung. Die grünen PolitikerInnen trafen sich mit dem evangelischen Bischof von Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber. Das Treffen soll der Beginn von normalen Beziehungen zwischen Kirche und Grünen sein, hoffen beide Seiten.

„Die Einladung kam von der Kirche“, sagt der kirchenpolitische Sprecher Dietmar Volk. Die Grünen könnten die Kirchen, die immerhin zu den größten Arbeitgebern in der Stadt gehörten, nicht weiter links liegenlassen. Außerdem verhandelt Berlin über die Zukunft des Religionsunterrichts. „Wir haben klargemacht, daß diese Verhandlungen nicht heimlich über die Bühne gehen werden und daß eine Christianisierung Berlins mit den Grünen nicht zu machen ist“, erklärte Volk.

Geredet wurde vor allem über drei Themen, von denen zwei unproblematisch sind: Bei der Bewertung der sozialen Lage, wie sie in dem jüngst vorgestellten „Gemeinsamen Wort“ der evangelischen und katholischen Kirchen beschrieben sei, gebe es „eine sehr weitgehende Übereinstimmung“, meinte Wieland. Auch die Ausländerpolitik und den Einsatz des evangelischen Ausländerbeauftragten lobten die Grünen.

Strittig ist dagegen die Frage des Religionsunterrichts. Die Kirchen fordern in den Verhandlungen zum Kirchenstaatsvertrag die Einführung eines Wahlpflichtfachs Religion, wie der Sprecher der evangelischen Kirche, Reinhard Stawinski, bestätigt. Demnach müssen Kinder wählen, an welcher Art von Religionsunterricht sie teilnehmen wollen. Dagegen wenden sich die Grünen: Sie wollen entweder die Beibehaltung der jetzigen Regelung, nach der alle Kinder frei wählen dürfen, ob sie am Religionsunterricht teilnehmen oder lieber frei haben wollen, oder aber die Einführung eines Faches ähnlich dem brandenburgischen „Lebenskunde, Ethik, Religion“ (LER). Das allerdings paßt den Kirchen überhaupt nicht: Gegen die Einführung von LER in Brandenburg haben sie im Juli 96 Verfassungsbeschwerde eingereicht.

„Die Reserviertheit der Kirche gegenüber den Grünen ist geschwunden“, urteilte Fraktionschef Wieland nach dem Treffen, eine Normalisierung der Beziehung stehe an. Zwar fordern die Grünen nach wie vor eine stärkere Trennung von Staat und Kirche und etwa das Ende des Kirchensteuereinzugs durch den Staat, doch diesen Streit will man nun in regelmäßigen Gesprächen pflegen. „Wir haben eine Gegeneinladung ausgesprochen“, meinte Wieland. Auch für Reinhard Stawinski ist das Treffen „nichts Ungewöhnliches“. Die Kirche pflege routinemäßig das Gespräch mit den Parteien.

Soweit sind die Grünen mit der katholischen Kirche allerdings noch lange nicht. Frauenpolitik und Sexualmoral der römischen Kirche behindern die Normalität ebenso wie der Protest der Grünen letztes Jahr gegen den Papstbesuch. Gespräche auf der informellen Ebene gebe es, so Wieland. Doch von einem offiziellen Treffen will man weder bei den Grünen noch bei der Verwaltung des katholischen Bischofs Sterzinsky etwas wissen. Bernhard Pötter

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