Bürger machen Strom

■ Der Trend zum Abschreibungswindpark ist kaum noch zu stoppen. Viele Kapitalanleger haben den Windstrom für sich entdeckt. Durch auswärtige Investoren sinkt die Akzeptanz bei der Bevölkerung

Die Anzeige knallt ins Auge: „Rendite bei 38 U/min“ heißt es vieldeutig. Mit einer 13prozentigen Ausschüttung, „von der andere nur träumen“, lockt eine Betreibergemeinschaft Kapitalgeber für Investitionen in einen Windpark an der Ostseeküste. Erbost über dieses marktschreierische Kohlemachen mit dem Wind griff Manfred Lüttke vom Bundesverband Erneuerbare Energie zur Feder. „Sie erweisen damit der Windenergie und wohl auch sich selbst einen Bärendienst. Sie helfen mit, an dem Ast zu sägen, an dem die Windkraft und ihre Aktivitäten befestigt sind“, schrieb er an den Finanzdienstleister.

Nicht nur die Steilvorlage an interessierte Politiker, solche Werbeversprechen als Anlaß zur Änderung des Stromeinspeisungsgesetzes und damit der Kappung der Vergütungssätze für Ökostrom zu nehmen, ließ Lüttke und andere Windfreunde wettern. „Wir bekommen immer öfter zu hören, da kommen die Wessis mit dem dicken Portemonnaie und verdienen sich auf unserem Boden eine goldene Nase“, beschreibt Wolfgang Daniels von der Vereinigung Erneuerbare Energien in Sachsen die Situation.

Auch Ralf Mehr von der Regionalgruppe Thüringen des Bundesverbandes WindEnergie (BWE) spürt die wachsende Verstimmung: „Wenn hier Investoren wie Staubsaugervertreter auftreten, um sich ertragreiche Standorte zu sichern, hinterlassen sie meist verbrannte Erde.“

Auch an der ostfriesischen Küste braut sich seit ein paar Monaten Unmut zusammen. Vom Ausverkauf der natürlichen Ressourcen an auswärtige Investoren sprechen Windkraftkritiker und gewinnen mit diesem Argument zusehends Anhänger. Auf der Strecke bleibt so in den Rathäusern und bei den Einheimischen die Akzeptanz für die Windkraft: ein akutes Problem in Ost und West – abgesehen von Schallemissionen, Disco-Blitzen und der aktuellen Debatte um den Erhalt der Vergütungstarife, die das seit 1991 gültige Einspeisegesetz vorschreibt.

Um mehr Akzeptanz für die Windgeneratoren zu gewinnen, hatten sich bundesweit nach dem Tschernobyl-GAU im April 1986 eine wachsende Zahl von Bürgerwindrad-Initiativen gegründet. „Bürger machen Strom“ – dieser Slogan motivierte Tausende Zeitgenossen, sich finanziell für eine emissionsfreie und umweltfreundliche Stromerzeugung in ihrer nächsten Umgebung zu engagieren.

Der Vorsitzende des Bundesverbandes WindEnergie, Peter Ahmels, stellt sich auch heute voll hinter die Bürgerwindräder: „Wenn wir das Ziel einer breitangelegten regenerativen Energieerzeugung nicht aus den Augen verlieren wollen, müssen wir von Anfang an besonderes Augenmerk auf die Akzeptanz legen. Schließlich betrifft die dezentrale Energieerzeugung mehr Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld und deshalb macht es Sinn, wenn sich die Menschen mit ihrer Energieerzeugung identifizieren können.“

Vorbild für dieses Denken war Dänemark – wie schon so oft in der Windszene. Früh hatten die Skandinavier erkannt, daß mit wachsender Zahl auswärtiger Investoren die Akzeptanz für die regionale Windkraftnutzung zu sinken begann. Deshalb gestattete die Kopenhagener Regierung vor allem Landbesitzern und der Bevölkerung an den lokalen Standorten, Windkraftanlagen zu errichten. Genau eine solche Regelung fehlt zwischen Flensburg und der Zugspitze.

Das rief den mittlerweile viel zitierten Investortyp, den „süddeutschen Zahnwalt“ – eine Verballhornung aus Zahnarzt und Rechtsanwalt –, auf den Plan, dessen Mühlen sich vor allem im nordfriesischen Küstenwind drehen. Der „Zahnwalt“ wurde schnell zum Trendsetter: Dank satter Verlustzuweisungen fanden immer mehr Großverdiener zur Windenergie.

Die Zeiten sind vorbei, in denen nur umweltbewußte „Öko-Freaks“ die Windenergie entdeckt haben, schreibt die Fachzeitschrift Energie & Management, „längst haben auch knallhart kalkulierende Kapitalanleger den Strom, der aus dem Wind kommt, für sich entdeckt“. Bei der Suche nach windreichen Standorten mischen Planungsbüros und Betreibergemeinschaften mit, die mit lukrativen Provisionen und hohen Pachtzahlungen um die besten Flächen buhlen. Solche „schwarzen Schafe“ will der BWE nun mit einem Leitfaden für Windkraft-Planungen stoppen.

„Machen wir uns nichts vor: Auch bei ethischen Geldanlagen wie der Windkraft geht es letztendlich um die Rendite“, sagt Matthias Kynast ganz realistisch. Er ist Geschäftsführer der Gesellschaft „Windkraft Neuenrade“ im Regierungsbezirk Arnsberg. Eine hohe Verzinsung kann Kynast seinen Anlegern jedoch nicht bieten: 0,75 Prozent pro anno. Der sauerländische Windpionier setzt mehr auf den Idealismus seiner Kapitalgeber: „Die Windkraft steht nicht allein nur fürs Geldverdienen, sondern symbolisiert eine andere Sensibilität für den Umgang mit Energie und der Nutzung regenerativer Energiequellen.“

Für Kynast zählen noch ganz pragmatische Gründe, die für ein Bürgerwindrad-Projekt sprechen: „Bei den noch verbleibenden zweit- oder drittklassigen Binnenlandstandorten sehe ich es als Risikostreuung an, wenn das Kapital auf mehrere Schultern verteilt wird.“ Noch sei keine Windmaschine 20 Jahre lang gelaufen, die sich in allen Wirtschaftlichkeitsberechnungen der Anlagenprospekte finden. Der Trend zum Abschreibungswindpark sei aber nicht mehr zu stoppen: „Das Potential aus Umwelt- und Naturschützern, AKW-Gegnern oder kirchlichen Initiativen ist nicht beliebig vermehrbar, was auch den Kreis möglicher Geldgeber einschränkt.“

Daß solche Gruppen nach wie vor an einem Windkraft-Engagement interessiert sind, ist für Claudio Fischer von der BWE-Regionalgruppe Südniedersachsen eine ausgemachte Sache: „Es kostet halt einen Haufen Energie an Überzeugungs- und Vorarbeiten, das Eigenkapital für eine Windkraftanlage zusammenzubekommen.“ Damit ist meist auch eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit verbunden, die für den bundesweiten Ausbau der Windenergie unverzichtbar ist. „Gerade solche engagierten Gruppen sind bereit, die lokale Bevölkerung längerfristig über ihre Anlagen mit Veranstaltungen oder einem Tag der offen Tür zu informieren, um so Vorurteile oder Mißverständnisse abzubauen.“ Fischer zeigt sich überrascht, daß selbst im Binnenland Investoren ihre Projekte „im kleinen Kreis durchziehen“ wollen. Money makes the world go round... – das gilt auch für die Windszene, die sich in der Bundesrepublik längst zu einem Milliarden-Markt entwickelt hat. Bürgerwindräder werden, so ein Insider, „in diesem Markt immer ihren Platz haben, allerdings sind die Zeiten vorbei, in denen die Windkraft romantisiert worden ist.“ Ralf Köpke