: Geburt eines Telefonriesen
British Telecom, der US-Konzern MCI, die spanische Telefónica und Portugal Telecom erobern jetzt gemeinsam den Weltmarkt ■ Aus Madrid Reiner Wandler
Der weltweite Telefonkommunikationsmarkt ist kräftig in Bewegung geraten. Den Anstoß gab Spaniens Telefónica. Zu Wochenanfang unterzeichneten die Spanier einen Zusammenschluß mit der portugiesischen Telecom bekannt – Symbol einer gemeinsamen Marktstrategie in Lateinamerika und dem Maghreb. Gestern nun folgte ein Megadeal mit dem britisch-amerikanischen Telekommunikationsriesen Concern, der selbst erst am Dienstag von der British Telecom (BT) und der US- Gesellschaft MCI aus der Taufe gehoben worden war.
Gemeinsam werden die vier fortan um Marktanteile in einer der weltweit dynamischsten Branchen kämpfen – mit einem jährlichen Marktvolumen von über einer Billion Mark. 80 Prozent davon werden in Form von Serviceleistungen, der Rest in Form von Hardware erzielt. Die dreiprozentige Wachstumsrate soll sich bis zum Jahr 2000 gar verdoppeln.
Das gemeinsame Netz von Concern und den beiden iberischen Anbietern kann sich sehen lassen. MCI/BT bringen Nordamerika, wichtige asiatische Märkte wie Japan, Süd-Korea, Hongkong sowie Australien in die Gruppe ein. BT expandiert seit der zunehmenden Liberalisierung des europäischen Telekommunikationssektors in sämtlichen EU-Mitgliedsländern, auf der Suche nach einem Platz unter den Weitanbietern oder im Geschäft mit Großkunden. Im Osten Europas ist Concern mit Ungarn und Tschechien in zwei Ländern aktiv, die schon bald in die EU aufgenommen werden könnten.
Lateinamerika teilen die spanische Telefónica und die portugiesische Telecom unter sich auf. Telecom ist Teilhaber der brasilianischen Telebras. Damit sind die Portugiesen die bestplaziertesten Ausländer auf dem mit 40 Prozent größten lateinamerikanischen Einzelmarkt. Außerdem ist Telecom in fünf afrikanischen Ländern vertreten. Telefónica ist mit ihrer Tochter Telefónica International (Tisa) größter ausländischer Anbieter im restlichen Südamerika.
Das Nachsehen bei der neuen Entwicklung hat der Verband Unisource unter Führung des US-Anbieters AT&T, den die Spanier jetzt verlassen. Zurück bleiben neben AT&T Swiss PTT, die schwedischen Telia und die PTT Netherlands.
Die Spanier begannen sich nach neuen Partnern umzuschauen, als AT&T immer mehr in die Krise geriet. Der US-Konzern, dessen Aktien alleine im letzten Jahr einen 30prozentigen Kursverfall hinnehmen mußten, verliert seit Jahren zusehends Marktanteile in den USA. Für Telefónica ist dies inakzeptabel, denn die Marktstrategie der Madrider sieht eine weitere Expansion auf dem inneramerikanischen Markt und bei Überseegesprächen vor. Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, gründete Telefónica das Panamerikanische Netz, mit Spitzentechnologien wie Videokonferenzen und Telearbeitsplätzen. Die Zukunftspläne: Großanbieter von Alaska bis Feuerland, angeschlossen an Europa. Ein schwacher US-Partner paßt da nicht ins Konzept. Das Zusammengehen mit MCI löst die Probleme mit einem Schlag.
Unisource muß sich jetzt schleunigst einen neuen Teilhaber suchen, der die 25 Prozent, die Telefónica bisher am europäischen Verband hielt, übernimmt. Als möglicher Kandidat ist die italienische Stet im Gespräch. Stet kann zumindest das Finanzloch stopfen, das der Weggang der Spanier reißt, ist aber viel weniger international ausgerichtet als die Telefónica. AT&T läuft aber ohne einen starken lateinamerikanischen Partner Gefahr, noch tiefer in die Krise zu geraten.
Sprint, ein anderer US-Riese, schaut gelassener in die Zukunft. 7,6 Prozent Gewinnsteigerung vermeldet das Unternehmen, bei dem Deutsche Telekom und France Télécom mit jeweils zehn Prozent beteiligt sind. Das so entstandene Bündnis nennt sich Global One und visiert eine weitere Expansion in Europa und in Asien an.
Deutsche Telekom und France Télécom haben zusammen mit der spanischen Banco Central Hispano (BCH) ihr Interesse an dem zum Verkauf stehenden spanischen Staatsbetrieb Retevision bekundet. Die Gesellschaft, die bisher für die Übertragung von Fernseh- und Radiosignalen zuständig war, soll sich noch dieses Jahr zum Zweitanbeiter auf dem spanischen Telefonmarkt mausern. Die zum Verkauf stehenden 80 Prozent von Retevision werden rund eine Dreiviertelmillion Mark kosten. In Fernost gelang es Global One, in einen Markt, der durch starken Nachholbedarf außerordentliche Wachstumsraten verspricht, vorzudringen: China. Sechs Provinz- Telekommunikationsbehörden orderten bei Global One.
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