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„Steinbruch für Yuppie-Studiengänge“

■ Die Hochschule Bremen hat ambitionierte Reformpläne. Das Sozialwesen mit seinen 1.000 Studis spielt dabei keine Rolle

Die Hochschule Bremen wappnet sich unter der Regie von Rektor Ronald Mönch für das nächste Jahrtausend: Umzug nach Grohn, Campus-Universität neuen Typs, internationale Studiengänge, praxisorientierte Forschung, Gründung einer Privat-Hochschule mit Studiengebühren und und und. Doch gegen diese Pläne regen sich in der Neustadt kritische Stimmen, allerdings eher im Untergrund und in den offiziellen Hochschulgremien kaum vernehmbar.

Hauptwiderstandsnest ist der Fachbereich Sozialwesen, während die technischen Fachbereiche das Konzept für Umzug und Neugründung der Hochschule in der Hoffnung auf bessere Ausstattung und mehr Forschungsgelder weitgehend unterstützen. Kein Wunder, wird doch das Sozialwesen (zur Zeit fast 1.000 Studis) seit 15 Jahren aufgrund eines alten politischen Beschlusses allmählich abgeschmolzen, von einst 35 auf nur noch zehn Professorenstellen. Dabei gibt es fünfmal soviele Bewerber wie die 240 jährlichen Studienplätze. Selbst Mönch, schon lange mit dem Sozialwesen im Clinch, räumt ein, daß die Job-Chancen der SozialarbeiterInnen besser sind als die der Ingenieure. Dennoch werden Stellen, die im Sozialwesen durch Pensionierung wegfallen, zum Aufbau neuer internationaler Studiengänge genutzt. „Wir sind Steinbruch für Yuppie-Studiengänge“, so eine Professorin.

Die unterschiedlichen Positionen der Fachbereiche belegt jetzt eine Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Die von der Bertelsmann-Stiftung bezahlten Hochschulberater aus Gütersloh haben im Auftrag des Rektorats die Befindlichkeiten von Professoren und Mitarbeitern sowie ihre Identifikation mit der Hochschule abgefragt und sind dabei auf zum Teil horrende Differenzen unter den Fachbereichen gestoßen. „Es gibt Probleme, das, was das Rektorat sich ausdenkt, in die Fachbereiche hineinzutragen“, sagte der Gutachter Klaus Neuvians. Besonders schlecht informiert fühlen sich wiederum der Fachbereich Sozialwesen, aber auch Wirtschaft und Elektrotechnik. Alle hätten die gleichen Chancen, Informationen zu bekommen, sagt Mönch. „Die werden allerdings sehr unterschiedlich genutzt“. Für den Rektor liegt das Problem auch an bereichsinternen Kommunikationsschranken. Denn nach Meinung der Befragten laufen auch im FB Sozialwesen die Entscheidungen bürokratisch, konfliktreich und wenig transparent ab. Im FB Wirtschaft, in dem sich die vom CHE befragten Profs und Mitarbeiter intern halbwegs gut informiert fühlen, habe sich ein „Wir-Gefühl“ohne die Hochschulleitung breitgemacht, sagt der Rektor. Auch Wirtschaft gehört nicht zu den Lieblingskindern der Reformer: Neue internationale Studiengänge mit wirtschaftswissenschaftlichem Hintergrund werden an die bei den Bewerberzahlen schwächelnde Nautik angehängt.

Er fordere seit Jahren ein Konzept für einen abgespeckten FB Sozialwesen, sagte Mönch. Die Profs hätten sich nicht geregt. „Wir werden systematisch ausgetrocknet und sind frustriert“, rechtfertigen Profs mangelnde Mitarbeit in Hochschulgremien und an Zukunftskonzepten. „Es ist kein Wunder, daß Profs keine Lust mehr haben“, zeigt ein Student Verständnis.

Nun soll ein Gutachter ermitteln, welche Lehrfächer erhalten werden müssen, um die Abschlüsse nicht zu gefährden. Schon heute sei es kaum möglich, alle Wissensgebiete abzudecken, sagt Hochschullehrer Heiko Dahle. Weil keine wegfallende Prof-Stelle wieder besetzt werde, seien die angebotenen Inhalte schon jetzt willkürlich. Dahle: „70 Prozent unserer Studierenden sind Frauen. Wenn Sozialwesen runtergefahren wird, sinken deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt eklatant“. Joachim Fahrun

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