: Faltige Hunde, kopflose Hühner und ein schweinischer Minister Von Ralf Sotscheck
Die Briten sind tierlieb, das ist bekannt. Und da in Großbritannien Wahlkampf herrscht, müssen die Viecher wieder einmal für alle möglichen Mätzchen herhalten. Das war schon früher so, zum Beispiel bei Winston Churchill, der 1950 mit einer fetten Bulldogge im Fernsehen auftrat. Der faltige Köter und sein Herrchen, John Bull, galten bereits im Viktorianischen Zeitalter als Symbol für all das, was man in England im allgemeinen als Tugend bezeichnet. Churchill nützte das nichts: Zwar sah ihm das Tier ungemein ähnlich, die Wahlen verlor er dann aber doch.
Nun hat die Labour Party die Bulldogge, die zu den dümmsten Hunden zählt, als Zugpferd im Wahlkampf entdeckt. In einem Werbespot liegt also Fitz zunächst völlig apathisch am Boden, wird aber quietschlebendig, als er die süße Stimme des Labour-Chefs Tony Blair vernimmt. Fitz reißt sich von der Leine los und wetzt in eine bessere Zukunft – dank Labour. Warum auch nicht? Wenn man den Tories schon das Parteiprogramm klaut, kann man ihnen auch gleich den dazugehörigen Köter entwenden. Und Blair setzte noch eins drauf: Schluß mit der Übertragung von Fischfangrechten in britischen Gewässern, forderte er lauthals. Genau wie John Major. Um Blair in Sachen Fischfreundschaft zu übertrumpfen, umarmte der Premierminister einen nassen Steinbutt, den ihm ein englischer Fischer wütend vor die Nase hielt, nachdem die EU am Dienstag eine Senkung der Fangquote beschlossen hatte.
Mit Hühnern, dem Symbol für Feigheit, hatte Major weniger Glück. Er hetzte Blair eine zwei Meter große Henne auf den Hals, nachdem der ein Fernsehduell abgesagt hatte, doch die Labour-Zeitung Daily Mirror schickte im Gegenzug ein kopfloses Hühnchen zu Majors Wahlveranstaltung. Die Bilder vom Tory-Wahlkampfleiter, wie er den Hühnerrumpf zu Boden ringt, um ihn am Betreten der Halle zu hindern, werden Major wohl nicht viele Stimmen einbringen. Noch mehr Pech mit Tieren hatte der Tory-Abgeordnete Julian Critchley. Er hatte Margaret Thatcher einmal als „große Elefantin“ bezeichnet, die niemals vergesse oder vergebe. Das tat sie dann auch nicht, und Critchley versauerte 30 Jahre auf Hinterbänken. Jetzt kandidiert er nicht mehr.
Schlimm erging es auch der Referendum Party, deren erklärtes Wahlziel es ist, Resteuropa an den Nordpol zu verlegen. Ihr stell vertretender Vorsitzender, John Aspinall, ist Zoobesitzer. Einer seiner Tiger hat vor kurzem einen potentiellen Wähler aufgefressen. Das war ärgerlich, denn die Referendum Party kann es sich keineswegs leisten, so verschwenderisch mit ihren Wählern umzugehen. Wäre es umgekehrt gewesen, hätte also Aspinall den Tiger gefressen, hätte das freilich noch mehr Stimmen gekostet, denn die Engländer sind, wie gesagt, tierlieb.
Darauf setzen die Tories im Wahlkampfendspurt. Sie haben jetzt einen wissenschaftlichen Untersuchungsbericht veröffentlicht, wonach die Hirschjagd grausam sei, weil ein Hirsch unter Streß leide, wenn er von den Hunden zu Tode gehetzt wird. Wer hätte das gedacht? Vielleicht reicht es für die Tories ja doch noch, wenn Major am Vorabend der Wahl öffentlich ein Stinktier küßt – oder seinen BSE-Landwirtschaftsminister Douglas Hogg. „Hoggish“ heißt auf deutsch schließlich „schweinisch“.
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