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"Nichts darf heilig sein"

■ Der Stand-up Comedian Thomas Hermanns über Didi Hallervorden, den deutschen Humor und Harald Schmidts Polenwitze (montags, 22.45 Uhr, Pro 7)

Vor fünf Jahren gründete Thomas Hermanns (34) mit seinem „Quatsch Comedy Club“ in Hamburg die erste und bislang noch einzige Stand-up Comedy Deutschlands. Seit einigen Wochen präsentiert der Autor (u.a. für „Lukas“), Regisseur (u.a. von Cora Frost und Michael Mittermeier), Schauspieler und Komiker sich und seine Show auch im Fernsehen und bildet so das lang ersehnte Gegengewicht zu Wigald Bonings Blödel-Clique in der RTL-„Samstag Nacht“.

taz: Sie haben Ihre Firma „Serious Fun“ genannt. Ist das bereits Ihr Credo?

Thomas Hermanns: Der Ernst ist Spaß, und Spaß ist Ernst. Die Mischung von beidem ist mein Programm.

Humor ist also ein ernstes Geschäft. Wie macht man denn guten Spaß?

Bei Comedy kann man sich eigentlich nur an den eigenen Geschmack halten. Wir haben im „Quatsch Comedy Club“ immer nur Nummern gemacht, die mir auch persönlich gefallen haben, und dieses subjektive Prinzip habe ich jetzt auch so im Fernsehen beibehalten.

Sie waren unter anderem als Supervisor für die deutsche Synchronfassung der britischen Serie „Absolutely Fabulous“ zuständig, und vor kurzem haben Sie sich mit ihrer Show sogar in den legendären Comedy Store in London gewagt. Funktioniert britischer Humor sehr viel anders als deutscher?

Eigentlich ist der Unterschied erstaunlich klein. Bei den Briten ist der Humor eben traditionell nur immer etwas schwärzer. Die jungen Menschen lachen über die selben Dinge. Das gilt zumindest für alle, die mit der „Muppet Show“ aufgewachsen sind. Der nationale Humorcharakter tritt dabei immer mehr zugunsten des internationalen zurück.

Wir konsumieren US- und britischen Humor; umgekehrt funktioniert das allerdings nicht.

Wir sind nun mal nicht berühmt für unseren Humor. Aber dieses Problem haben auch andere, nicht- englischsprachige Länder. Ein deutscher Komiker, der sich der anglo-amerikanischen Sprachmacht beugt, kann aber durchaus in England oder Amerika arbeiten.

Würde Didi Hallervorden heute unter Comedy laufen?

Ja, unter slapstickorientierter Sechziger- und Siebziger-Jahre- Comedy. Das gibt's in anderen Ländern ja auch, Benny Hill etwa. Bei uns fällt so etwas nur deshalb auf, weil wir in den Siebzigern eben nur drei Säulen des Humors hatten: Didi Hallervorden, Otto und Loriot.

Ihre „legendäre Conny Show“ (RTL 2) wurde leider nicht legendär. Es blieb bei fünf Folgen.

Ich fand, daß nichts schiefgelaufen ist. Außer, daß wir ein Heidengeld ausgegeben haben, noch ein Set gebaut, noch einen Stargast engagiert ... Dem Sender war die Show letztlich zu teuer, allerdings wagte man aber auch nicht, auf einen besseren Sendeplatz zu gehen und damit mehr Werbeeinnahmen zu erzielen.

Welche Ausbildung braucht man denn eigentlich, um Spaßmacher zu werden?

Ich bin bei allem, was die Bühne angeht, absoluter Autodidakt. Ansonsten bin ich ein braver Magister der Theaterwissenschaft, also eher ein akademischer Komiker.

Ist Comedy das ultimative Format für die infantilen, spaßorientierten 90er?

Ich finde nicht, daß Comedy per se unpolitisch ist. Comedy empfindet Politik nur anders, als es beispielsweise das Kabarett tut. Wenn du über die Sachen erzählst, die dir im Alltag passieren, bist du auch politisch. Ich mag es, wenn Leute auf der Bühne etwas aussprechen können, was im Saal sonst keiner sagen dürfte. Es ist nur so, daß man nicht wie im Kabarett so oberlehrerhaft darüber spricht, die Sichtweise ist lebensnäher. Allerdings hatten wir in den letzten Jahren mit Leuten wie Helge Schneider oder Wigald Boning eine große Nonsenswelle in der deutschen Comedy. Das hat sicherlich mit so einer „Ich will Spaß. Ich will nur albern sein“-Haltung zu tun.

Gedeihen denn Humor und Comedy in harten Zeiten besonders gut?

Wir erobern uns, denke ich, gerade erst einmal all die Entertainment-Traditionen zurück, die durch das Dritte Reich zerstört worden sind. Kein vernünftiger Mensch wollte ja in den Siebzigern Komiker werden, weil er sich darauf gefaßt machen mußte, als totaler Idiot abgestempelt zu werden. Grundsätzlich denke ich, kann die schlechtere wirtschaftliche Lage die Leute zum Teil ins Amüsement treiben, zum Teil aber wird sicherlich auch die Comedy schärfer. Ich erwarte, daß zukünftig mehr und mehr Komiker insofern politisch werden, daß sie von dem alltäglichen Wahnsinn, der uns umgibt, auch erzählen. Das ist der Teil des Stand-up, der mich am meisten interessiert.

Pro 7 und RTL haben gerade zu einer Comedy-Invasion geblasen, die anderen Kanäle ziehen nach. Wann gibt's den Overkill?

Ich denke, daß der Anteil jetzt genauso hoch ist wie in anderen Ländern. Comedy als Programmfarbe gibt es ja überall, wie Gameshows und Sitcoms auch. Es wird sich herausstellen, welche die besten sind, und nur die werden überleben.

Witze gehen eigentlich immer auf Kosten eines anderen. Wo ist für Sie da die Grenze? Darf man im Fernsehen über Schwule oder Polen Witze machen?

Wenn ein Witz einen Funken Wahrheit hat und ich darüber lachen kann, lasse ich den auch durchgehen. Grundsätzlich darf nichts und niemand heilig sein. Bei Harald Schmidt zum Beispiel trete ich ganz bewußt als schwuler Komiker auf und mache da auch jedes mal meine Pointen, weil ich genau weiß, was er eigentlich will. Er kämpft nämlich, genau wie bei seinen Polenwitzen, nicht gegen die Randgruppen, sondern gegen die falsche, deutsche Betroffenheit, die diese Themen umgibt. Interview: Axel Schock

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