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Ethno-Sound per Mausklick

Das Printemps-Festival in Bourges sollte einst dem Chanson seinen alten Glanz zurückerstatten. Heute ist es eine veritable Nachwuchsschau und Kontaktbörse für alle, die im frankophonen Musikbusiness Rang und Namen haben  ■ Von Daniel Bax

Mustapha Terki ist stolz: Am vorletzten Tag des Printemps de Bourges feiert der erst 18jährige Faudel, im orientalischen Dekor einer Sitzecke des Pressepavillons, mit einem Sektempfang das Erscheinen seines Debütalbums bei einem Major-Label. Für Terki, der den Nachschub der französischen Musikszene organisiert, ein Musterfall, denn er hat Faudel, die Rai-Entdeckung des letzten Jahres in Bourges, selbst gefördert. Terkis Abteilung, das Réseau Printemps, auf dem alljährlich Neuentdeckungen aus Frankreichs Regionen und dem Rest der Welt, die sogenannten „Découvertes“, präsentiert werden, bildet, als Instrument der Nachwuchsförderung, quasi das Herz des Festivals. Diesmal konnte Mustapha Terki mehr als 30 französische Bands aufbieten, die sich in lokalen Wettbewerben für Bourges qualifiziert haben, sowie elf ausländische Gruppen, die von örtlichen Kontaktpersonen, den sogenannten „Antennen“, vorgeschlagen wurden.

Im Internet führt Terki seine aktuellen Favoriten vor, klickt mit der Maus auf die Seite der Pariser Ethno-Formation Ekova, und über die kleinen Monoboxen ertönt ein kurzes Probestück. „Man kann die Band auch übers Netz buchen“, erklärt er dem Assistenten des Kulturministers das System.

Der Name Bourges steht für das Printemps-Festival, so wie Cannes für das Kino. Das Musikfest ist mit rund 7,5 Millionen Franc (bei einem Etat von 25 Millionen) das am höchsten subventionierte Festival Frankreichs, eine Art Kontaktbörse und Showbühne ähnlich der Kölner Pop-Komm, nur ohne dazugehörige Messe. Vor 21 Jahren gegründet, um dem damals medial marginalisierten französischen Chanson ein Forum zu bieten, hat sich das Festival in Bourges zur gigantischen Leistungsschau französischen Musikschaffens entwickelt. Jeder Musiker, der Rang und Namen hat in Frankreich, hat schon einmal in Bourges gespielt.

Einmal im Jahr rückt die verschlafene Provinzstadt, die sonst nur geographisch in Frankreichs Mitte liegt, so ins Zentrum landesweiter Aufmerksamkeit. Scharen Schaulustiger strömen dann in die diversen Allzweckbauten am Rande des Altstadtrings oder zu den verschiedenen offenen Bühnen, auf denen noch unbekannte Bands versuchen, sich gegen den Lärm der Flohmarktstände und Imbißbuden durchzusetzen. Afrikanische Schmuckhändler, Althippies mit indischem Tee und rot uniformierte Zigarettenpromoterinnen lagern am Fußweg zwischen den einzelnen Spielstätten, über dem dichte Grillschwaden hängen und auf dem sich die von nah und fern angereiste Festival-Crowd drängt. Ein bißchen unwirklich wirkt das schon, wie sich auf einmal Massen von Rucksacktouristen und Kleinfamilien durch einen Ort schieben, der ansonsten soviel Leben birgt wie eine Geisterstadt im Mittleren Westen. Dabei mußte man eigentlich gar nicht dort sein, um dabeizusein, denn der Printemps de Bourges ist vor allem ein mediales Großereignis: Das Kommerzradio NRJ sendete aus einem gläsernen Studioraum inmitten des Geschehens, Le Monde berichtete täglich aktuell, ebenso wie die kommunistische L'Humanité, die ihre Leser zu Beginn des Festivals per Glossar in das geheimnisvolle Techno-Vokabular einführte. Mehr als 500 Journalisten waren akkreditiert, darunter erstmals, wie man stolz zu vermelden wußte, ein Fernsehteam aus China. Kein Wunder also, daß bei solch geballter Kamerakonzentration Politiker auch diesmal wieder nicht weit waren: Kulturminister Douste-Blazy machte dem Spektakel gleich zu Beginn seine Aufwartung und ließ sich dort, nach absolviertem Konzertgang, willig ein T-Shirt mit der Forderung „Freedom for King Kong“, so der Name einer Nachwuchsband aus der Bretagne, überstülpen. Sein Amtsvorgänger und Rivale Jack Lang schaute, im Gefolge von Parteichef Lionel Jospin, tags darauf vorbei, und auch PCF-Chef Robert Hue wurde gesichtet.

Die internationale Popprominenz, die das Programm des Printemps garniert – in diesem Jahr unter anderem Westcoast-Rapper Warren G., das Boylie-Quartett Worlds Apart, eine proppevolle Reggae-Nacht mit den Wailers und Toots sowie ein großer Techno-Rave mit den Plattenteller-Koryphäen Carl Cox und Jeff Mills, innerhalb von drei Tagen alle im gleichen Festivalzelt –, sie dient nicht zuletzt dazu, die Konkurrenzfähigkeit der französischen Produkte zu unterstreichen. Was zunehmend besser gelingt: Bot französischer Pop in der Vergangenheit dem ausländischen Beobachter oft genug Anlaß für mitleidige Witze, so tummeln sich heute in den internationalen Hitlisten immer öfter französische Produktionen. Das gilt für den aktuellen Hype um die Pariser DJ-Szene ebenso wie für Khaled, dessen Song „Aisha“ derzeit der erfolgreichste Exportschlager ist.

Im eigenen Lande, das zeigte sich einmal mehr, ist die Anziehungskraft ohnehin ungebrochen: Der französische Alt-Rock 'n' Roller „Mr. Eddy“ Mitchell zog weit mehr Leute in sein Konzert als am gleichen Tag die Country-Ikone Johnny Cash, und während dreieinhalbtausend Jugendliche dem Auftritt der French Funk Federation, kurz FFF genannt, folgten, mochten sich zum zeitgleich angesetzten Gastspiel der deutschen HipHop-Combo Mellowbag gerade mal 50 müde Gestalten einfinden. Selbst den hippen Britpop von der Insel, in Gestalt von Suede und Supergrass, verwiesen die Rockidole von Noir Désir auf die Plätze: Da braucht man sich, in Popfragen zumindest, in Paris keine Sorgen zu machen um den Standort Frankreich.

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