: Ökologischer „Jahrhundertflop“
■ Nur vermeintlich ein Ökoprojekt: Förderkreis „Rettet die Elbe“präsentiert kritische Untersuchung zur Öffnung der Süderelbe
Herbert Nix vom Förderkreis „Rettet die Elbe“blickt kopfschüttelnd über die gepflügte Elbinsel. „Altenwerder“, sagt er, „läßt sich nicht ausgleichen“. 260 Hektar Natur, die nach Senats-Willen in ein logistisches Hafen-Zentrum verwandelt werden sollen, müssen „ersetzt“werden. So will es das Gesetz. Doch woher der ökologische Ausgleich für das über Jahrzehnte gewachsene Biotop plötzlich kommen soll, ist Nix ein Rätsel.
Der Umweltbehörde nicht. Sie will die Alte Süderelbe, der nach der Sturmflut von 1962 aus Hochwasserschutzgründen das Schicksal eines Stillgewässers beschieden wurde, wieder öffnen, und zwar am Mühlenberger Loch sowie am Finkenwerder Vorhafen. Ziel ist ein tidebeeinflußtes Fließgewässer, in dem Süßwasserwatten und Auenwälder gedeihen. Denn diese Biotope, so die Behörde, seien noch wertvoller als das bestehende Naturschutzgebiet (NSG).
„Völliger Quatsch“, entgegnet Thomas Kleineidam, der in seiner gestern vorgelegten Untersuchung die Süderelb-Öffnung als „Jahrhundert-Flop“bezeichnet. Laut Senat dürfe der Fluß künftig bei Flut höchstens einen Wasserstand von 1,5, bei Ebbe von 0,5 Metern erreichen. Andernfalls würden angrenzende Obstanbaugebiete überschwemmt oder nicht ausreichend gewässert. Die natürliche Tide betrage im Mühlenberger Loch aber 1,9 Meter. Soll heißen: Es muß ein Bauwerk her, das „Hochschütz“heißt und einströmendes Wasser bei Flut bremst. „Fische“, sagt Kleineidam, „kommen da aber nicht durch“. Auch führe die künstliche Abschottung zu „unnatürlichen Wasserstaus“. Süßwasserwatten und Auenwälder könnten nicht wachsen, „weil die keine regelmäßigen, sondern nur kurze Überflutungs- und viele Trockenphasen brauchen“. Damit nicht genug: Nicht einmal der heutige Status quo könne gehalten werden, da Fauna und Flora des jetzigen NSG auf das Stillgewässer angewiesen seien.
Am schlimmsten aber findet Kleineidam, daß die Alte Süderelbe über 700 Meter kanalisiert und nur durch ein Tunnelrohr ins Mühlenberger Loch strömen könnte. Dort, wo sie früher herfloß, versperren ihr heute andere Bauwerke den Weg: Dasa-Landebahnen, Deiche, Autobahnen. Stauanlagen, Schöpfwerke und Sielbauwerke müßten also her, um die Flußöffnung in technikgerechte Bahnen zu lenken. 60 Millionen Mark will sich die Stadt das vermeintliche Öko-Projekt kosten lassen. „Das Geld“, sagt Herbert Nix, „wäre besser für Umweltschutz anderswo angelegt“. Heike Haarhoff
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