: Der homosexuelle Mann... Von Elmar Kraushaar
...hat – wir wissen es – einen besonderen Hang zu besonderen Berufen: Er wird Frisör oder Tänzer, Nachrichtensprecher oder Schlagersänger. In der Regel nicht Bauer oder Maurer und auch nicht Fußballer oder Tankwart.
Warum das so ist? Ein Gen zuviel vielleicht, irgend was mit den Hormonen oder eine Überfunktion der Schilddrüse, die auch gerne für die Fettleibigkeit von Frauen verantwortlich gemacht wird. Auf jeden Fall ist es so, irgendwie ganz natürlich, und nichts ist dagegen einzuwenden. Im Gegenteil, das sind doch alles hochanständige Berufe, die Hingabe erfordern und ganz im Dienste des Menschen stehen, dabei viel Freude schenken, eine neue Frisur und die aktuellsten Nachrichten.
Engelbert Biebrich ist da ganz anderer Meinung. Der Kolumnist der Fachzeitschrift für heterosexuelle Rammler und die Frauen unter ihnen, Coupé, fordert im April- Heft: „Entzieht schwulen Friseuren sofort die Lizenz – für immer!“ Damit das Berufsverbot durchgesetzt werden kann, ruft er zur Gründung von Bürgerinitiativen auf, Motto: „Steht der Meister nicht auf Mädel, darf er nicht an deinen Schädel.“ Und Herr Biebrich weiß, wovon er redet. Schließlich war er schon mal in so einer „Parfüm-Schachtel“, mußte sich begrüßen lassen mit „Hallöchen“, dabei eine „warme, leicht feuchte Hand“ drücken, sich schließlich die Kopfhaut massieren lassen, „als wäre es die Eichel von seinem Liebhaber“, dazu „dusselige Komplimente“ anhören, vorgetragen „mit heller Stimme und parfümiertem Atem“ ebenso wie der abschließende Spruch: „Nun machen wir spüli-spüli und dann gaaanz doll rubbel-rubbel!“ Und die ganze Zeit war sich der Kunde sicher über die Qualität des Handwerkers: „Der hatte einen Ständer dabei!“
Nach soviel wagemutiger Feldforschung mit treffender Personencharakterisierung hat der Kolumnist nur noch eines im Sinn: Rache. Rache für die Demütigung mit Fön und Schere? Rache für die vertane Chance? Auf jeden Fall macht der Besuch im Käfig voller Narren aus dem beschnittenen Mann einen beherzten Feministen mit glasklarer Analyse: „Sexuelle Belästigung!“ Dabei fuchtelt er wie wild mit den Worten: „Gesetzliches Berufsverbot!“, „Boykott!“ oder, wenigstens, ein Zeichen an die Hauswand: „Hier bedient Sie ein schwuler Friseur!“ Damit könne er sich vorerst begnügen, denn, und er spricht das aus, was die Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung denkt: „Eigentlich habe ich nichts gegen Schwule, wenn ich sie nicht sehen, riechen oder mit ihnen reden muß!“
Herr Biebrich hat recht, und, so meint die Coupé-Redaktion: „Seine Worte sind wie Giftpfeile – sie treffen mitten ins Herz!“ Rufen wir ihm also zu: „Weiter so! Für eins, zwei, drei, ganz viele Bürgerinitiativen!“ Auch gegen Nachrichtensprecher, damit Dagmar Berghoff ganz alleine bleibt auf dem Schirm und Peter Hahne endlich sein Grinsen einstellt! Auch gegen Tänzer, die nur noch erlaubt sein dürfen im Frauenkleid als Zarah-Leander-Double oder Ersatz für Mireille Matthieu. Auch gegen Schlagersänger, damit kein Lied mehr gesungen wird, sondern nur noch geblasen. Am besten von Stefan Mross, denn der kann gar nicht blasen. Und eine bessere Garantie für die Heterosexualität des Mannes gibt es ja gar nicht.
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