piwik no script img

Unschuld der Volkslieder

Begnadete Schönfärber in einer technikgläubigen Zeit: Das DHM hat einen Film zum 10. Geburtstag der DDR von 1959 ausgegraben  ■ Von Peter Walther

Nach und nach fördert das Deutsche Historische Museum im Zeughaus die filmische Propagandahinterlassenschaft der DDR ans Licht. Gerade hat eine Ulbricht- Schmonzette von 1953 späte Premiere gefeiert, schon wartet das quirlige Geschichtskino im Zeughaus mit einem neuen Dokument der Zeitgeschichte auf.

„Daß ein gutes Deutschland blühe“ heißt ein Farbfilm zum 10. Jahrestag der DDR von 1959, der vor allem zur Selbstdarstellung im Ausland eingesetzt werden sollte, aber auch in den heimischen Kinos lief. Daß der glänzende Propagandafilm seine Wirkung nicht entfalten konnte, ist eine Episode aus der langen Geschichte politisch dirigierter Inkompetenz in der DDR: Dem Zentralkomitee waren die Begleittexte von Stephan Hermlin zu schlaff und „zu lyrisch“, so daß eine zweite Textfassung in Auftrag gegeben wurde, für die Karl-Eduard von Schnitzler verantwortlich zeichnete. Schnitzler, der zwar Überzeugungstäter ist, aber vom Handwerk des Überzeugens sein Leben lang nichts verstanden hat, schafft es mit brachialen Textänderungen, die einnehmende Wirkung der Bilder verkommen zu lassen.

Was den Film in der Textversion von Hermlin zu einem erstaunlichen Dokument jener Zeit macht: ihm fehlt, abgesehen von ein paar Floskeln und Bildzitaten, jegliche Aggressivität des Kalten Krieges. Man merkt, daß hier keine Scharfmacher am Werk waren, wohl aber begnadete Schönfärber. Dies liegt freilich in der Natur des Unternehmens. Der Film beginnt mit Bildern von sprießendem Grün, Bäche vereinigen sich zum Strom, die Kamera schwenkt auf einen Staudamm, Symbol der vom Menschen gebändigten Natur, Kinder in Pionierhemden und -tüchern wandern singend durchs Bild. „Ein altes Land, ein neuer Staat“, kommt die Stimme von Hermlin aus dem Off, und ein zehnjähriger (!) Junge feiert in Stalinstadt mit seinen Freunden am Kaffeetisch Geburtstag.

Man merkt die Absicht und ist verstimmt, ließe sich mit Goethe einwenden, aber die Bilder der Harmonie sind so bezwingend, der Kitsch so treffsicher, daß jede Mäkelei im Ansatz verendet. Diese Szenen haben etwas Volksliedhaftes, eine Anmutung von Reinheit und Unschuld, gegen die man sich kaum erwehren kann. Doch plötzlich ist Schluß mit lustig: Hart sind die Sequenzen eines drohend wachsenden Atompilzes gegen Szenen des vergnügten Ostseestrandlebens geschnitten. Hier unterscheiden sich beide Versionen des Films prägnant: Während die Bedrohung des Friedens in der ersten Fassung allgemein bleibt, setzt Schnitzler in der zweiten Version des Films die „Friedensfeinde“ ins Bild: Nato-Chefplaner Adolf Heusinger abwechselnd mit Franz Josef Strauß und – 15 Jahre zuvor – mit Hitler. Im Kommentar setzt Schnitzler noch eins drauf und bemerkt bei Strauß ein „dreckiges Grinsen“.

Der Film scheint seiner Zeit weit voraus zu sein, denn statt auf Abgrenzung setzen die Bilder und der Kommentar auf Internationalität („Der Wartburg fährt schon in vielen europäischen Ländern, jetzt auch in Amerika“) sowie auf die Kooperation mit dem Westen. Die Chefs rheinischer Montankonzerne werden bei der Besichtigung am Stand einer ostdeutschen Werkzeugmaschinenfabrik gezeigt, Arbeitergäste aus Westdeutschland finden sich im EKO- Stahlkombinat in Stalinstadt ein. Natürlich ist der Film auch in puncto Technikgläubigkeit ein Kind seiner Zeit: Stolz werden die neuen Anlagen der chemischen Industrie präsentiert, und wenn die Schaltzentrale vorgeführt wird, wird der zeitüblichen Begeisterung für Transistortechnik und blinkende Lampen freien Lauf gelassen. Die Musik variiert den ganzen Film hindurch effektvoll ein optimistisches Grundthema. Regie hat übrigens ein Holländer geführt, Joop Huisken, der schon seit den zwanziger Jahren in der niederländischen Arbeiterfilmbewegung eine Rolle gespielt hat. Während des Krieges als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt, blieb er als Mitarbeiter der DEFA in der DDR. Man merkt diesem Film die Professionalität an. Selbst die Verlegenheit, jene nuschelnde Comicfigur, die in der DDR eigentlich das Sagen hatte, Spitzbart Ulbricht, noch irgendwie unterbringen zu müssen, wurde in der ersten Filmversion gut bewältigt: Ulbricht ist zwar zu sehen, seine Rede wird jedoch von der Sprecherstimme Hermlins überblendet, der Brechts „Lob des Kommunismus“ rezitiert. Was bei Karl- Eduard von Schnitzler davon übrig blieb, dürfte wohl klar sein: Ulbricht pur.

„Daß ein gutes Deutschland blühe“. DDR 1959, 70 min. Heute um 20.30 Uhr im Zeughaus-Kino, Unter den Linden 2. Tel.: 215 01 127

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen