■ Rosi Rolands Bremer Geschichten
: Teurer Stolz

Mit Stolz geschwellter Brust kam Wirtschaftsredakteur M. vom Bremer Weser-Kurier im Februar in die Redaktion. Er hatte eine „ganz heiße Geschichte“– die Vernehmungsprotokolle des ehemaligen Vulkan-Vorstandsmitglied Manfred Timmermann. Unruhig rutschte er in der Konferenz auf seinem Stuhl hin- und her. Er konnte es nicht abwarten, „seine Geschichte“anzukündigen. Er wurde nach Angaben seiner Kollegen erst wieder ruhig, als die Konferenz entschied, „seine Geschichte“zum Samstags-Aufmacher auf der Seite 1 zu küren. Dazu sollte er noch einen Hintergrundbericht auf Seite 5 schreiben. M. war zufrieden. Mit geröteten Wangen eilte er an seinen Schreibtisch und haute in die Tasten: „Der in Konkurs gegangene Bremer Vulkan wurde bereits 1993 im rauhen Alltagsgeschäft geführt. Das belegen die Aussagen Timmermanns vor der Staatsanwaltschaft Bremens“, verriet er den LeserInnen. M. zitierte lange Passagen wörtlich aus der Aussage Timmermanns und garnierte sie mit Hinweisen auf seine journalistische Glanzleistungen: „...“, heißt es im Vernehmungsprotokoll, das dem WESER-KURIER vorliegt.“„Protokoll einer Vernehmung“– hieß es in der Überschrift auf Seite 5. Als er die letzte Zeile geschrieben hatte, war er mit „seiner Geschichte“hochzufrieden. Daß die taz schon vier Monate vorher über die Aussage Timmermanns berichtet hatte (allerdings ohne wörtlich zu zitieren, weil die Rechtsabteilung dringend abgeraten hatte) und daß alle Nachrichtenagenturen die Geschichte daraufhin aufgegriffen hatten, war ihm offenbar entgangen. Auch daß das wörtliche Zitieren aus Ermittlungsakten verboten ist, wußte er nicht. Fast hätte er es auch nie erfahren. Die Staatsanwaltschaft zauderte nämlich, ihn zu belangen. Der Grund war denkbar einfach: M. hatte in seinen Artikeln die „gut präperierten Ermittler“gelobt. Das zahlte sich jetzt aus. Erst als andere Journalisten drohten, sie würden sich in Zukunft den Weg in die Rechtsabteilung sparen und ebenfalls wörtlich zitieren, bot die Staatsanwaltschaft dem Weser-Kurier an, das Verfahren gegen eine Geldauflage von 3.000 Mark einzustellen. Das Angebot stieß beim Weser-Kurier nicht gerade auf Gegenliebe. 3.000 Mark sind immerhin 3.000 Mark. M. setzte sich wieder an den Schreibtisch. „Ermittlungen in Sachen Vulkan kommen gut voran“, titelte er vor wenigen Tagen. „Die Ermittlungen gegen die Verantwortlichen der in Konkurs gegangenen Bremer Vulkan Verbund AG wegen Untreue stecken nach Informationen dieser Zeitung in einer entscheidenden Phase“, textete er weiter. Daß sich die Staatsanwaltschaft von solchen plumpen Schmeicheleien beeindrucken lassen würde, glaubt natürlich niemand – auch nicht Ihre

Rosi Roland