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Ein vollkommenes Werk

■ Herbert Henck spielt am Sonntag Bachs letzte Komposition Überseemuseum

Der Organist Gerd Zacher hat 1968 zehn Interpretationen des Contrapunctus I aus Johann Sebastian Bachs „Die Kunst der Fuge“geschrieben. Sie sollten die utopische Ungeheuerlichkeit dieses bis heute rätselhaften Werkes deutlich machen. Unvergeßlich ist mir die Wiedergabe der zehnten Interpretation: Gerd Zacher vollführte nur die Dirigierbewegungen, alles Hörbare verschwindet. „Gestalt gewordene Stille“(Richard Hauser) schien Zacher der angemessenste Zugang zu dem großen zyklischen Werk von 1748, das „alle Arten der Contrapuncte und Canonen über einen einzigen Hauptsatz“enthalten sollte. Das Werk ist als radikal experimentell anzusehen, weil Bach seine Kompositionskunst bis ins letzte systematisch ausgelotet hat, in einer Weise, die Mozart wie ein Schock traf, als er die Noten las. Es gibt kaum ein Werk in der Musikgeschichte, das eine derart unübersehbare Fülle von analytischen und hermeneutischen Betrachtungen ausgelöst hat.

Morgen abend spielt Herbert Henck als Abschluß seiner „Piano Adventures“Bachs „Kunst der Fuge“. Es ist immer wieder ein Ereignis, wie sich die großen Cembalisten und Pianisten der abenteuerlichen Stimmverschränkungen annehmen: einfache Fugen, Umkehrungen, rhythmische Vergrößerungen und Verkleinerungen, mehrthemige Fugen (Doppel- und Tripelfugen), Vertauschung der Stimmen und als diffizilste Aufgabe die „Spiegelfugen“, deren Themen man auch von rückwärts lesen und spielen kann. „Das vollkommenste practische Fugenwerk“, meinte Bach Sohn Carl Philipp Emmanuel 1756. Ute Schalz-Laurenze

Sonntag um 20 Uhr im Überseemuseum

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