■ Mit Tschernobyl auf du und du: Strahlende Alpen
Frankfurt/Main (dpa/taz) – Elf Jahre nach dem GAU von Tschernobyl schlägt die Unabhängige Kommission zur Erforschung und Information über die Radioaktivität in Frankreich Alarm. Bei Messungen in den französischen Alpen, so das Institut am Donnerstag in Paris, seien „ungewöhnlich hohe Konzentrationen von Radioaktivität“ festgestellt worden. Für die Regionen Mercatour und Ecrins in den südlichen Alpen lägen Durchschnittswerte von 52.000 Becquerel pro Kilogramm (Bq/kg) vor – bei einem Spitzenwert von 368.000 Bq/kg. Zum Vergleich: Im Westen von Frankreich sind Werte von zehn bis zwanzig Bq/kg normal.
Auffällig seien die sehr hohen Konzenztrationen von Cäsium. Für die Forscher ein Beleg dafür, daß die Verseuchung eindeutig vom Reaktorunglück in Tschernobyl stammt. Die radioaktive Wolke habe lange über der Region gehangen und sich abgeregnet.
Das gefundene Plutonium stamme wahrscheinlich von überirdischen Atomversuchen, die erst vor 16 Jahren eingestellt wurden. Die Kommission vermutet, daß auch die an das Mercatour und Ecrins angrenzenden Regionen in Deutschland, Österreich und Italien stark radioaktiv verseucht seien. Für Urlauber bestehe keine unmittelbare Gefahr, sagte eine Sprecherin des Instituts. Aber für die dort ansässige Bevölkerung könnten die extrem hohen Werte auf Dauer ein Gesundheitsrisiko bergen.
Wie das ukrainische Gesundheitsministerium in Kiew mitteilte, seien inzwischen 772 Kinder an Schilddrüsenkrebs erkrankt. Und weitere 782 Kinder seien infolge der atomaren Katastrophe zu Invaliden geworden. Insgesamt benötigten 700.000 Kinder „permanente intensive medizinische Betreuung“. Als besonders problematisch beurteilt das Ministerium den Zustand der Liquidatoren, die den GAU bekämpften. Sie litten zunehmend unter Blutkrankheiten und Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes. Bei 70 Liquidatoren sei Leukämie festgestellt worden. Und weitere 500 Liquidatoren gehörten wegen der Veränderungen ihres Blutbildes zur „erhöhten Risikogruppe“. kpk
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