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Neumann steht voll hinter Nölle

■ Kein Hauch von Problemen - CDU demonstriert totale Geschlossenheit auf ihrem Parteitag

Es hätte ein so friedlicher Landesparteitag werden können – wenn da nicht die Junge Union (JU) gewesen wäre. Nach dem Streit zwischen Bausenator Bernt Schulte und dem Wirtschaftsressort über die Breite des Hemelinger Tunnels war die CDU am Samstag im Bremerhavener Haus des Handwerks bemüht, Geschlossenheit zu demonstrieren. „Das Bild, das wir in den letzten Wochen geliefert haben, spottet jeder Beschreibung. Das darf nie wieder vorkommen“, rief Parteichef Bernd Neumann den 201 Delegierten zu.

Hintergrund: Der Bausenator hatte mit seinem Vorschlag, den Hemelinger Tunnel nur noch 9,50 statt 13,50 Meter breit zu bauen, einen Streit mit dem Wirtschaftsressort vom Zaun gebrochen. Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer versuchte die Streithähne auseinanderzureißen. Die Ressorts hätten sich auf eine Breite von 13,50 Meter geeinigt, erklärte er. „Es gibt keine Einigung“, konterte Schulte und setze das Personalkarussell in Gang: Neumann drohte mit personellen Konsequenzen. Über das berufliche Schicksal von Baustaatsrat Joachim Baltes wurde öffentlich spekuliert. Muß er seinen Hut nehmen? Kommt Europa-Staatsrat Günter Niederbremer nach Bremen zurück, und wenn ja, welchen Posten kriegt er? Löst er Baltes ab, oder wird er der Nachfolger von Wirtschaftssenator Hartmut Perschau ab, der Spitzenkandidat werden will und ein alter Kumpel von Parteichef Neumann ist? Fragen über Fragen, auf die es keine Antwort geben sollte – zumindest nicht auf dem Parteitag.

„Ich schlage vor, daß wir das heute nicht diskutieren“, richtet Neumann das Wort an die Delegierten. Stattdessen lobt er die Politik der Bremer CDU. Der „harte Konsolidierungskurs“sei nur dem Finanzsenator Ulrich Nölle zu verdanken. „Das ist kein Softi, sondern es ist Ulli, Ulrich Nölle, unser Finanzsenator, dem ich herzlich danke“, ruft er, reißt den Arm hoch und deutet auf Nölle. Donnernder Applaus. „Der Bausenator hat es am schwersten“, erklärt Neumann weiter. „Er muß gegen eine ausgeprägte rot/grüne Verwaltung anarbeiten.“Neumann lobt Innensenator Borttscheller, der in Bremen „für Ordnung“gesorgt hätte und fängt an, den Koaltionspartner zu kritisieren. „Ich habe Hartmut Perschau nicht vergessen“, verschiebt er das Lob für den Wirtschaftssenator auf später. „Die SPD ist, wenn es ernst wird, nicht an durchgreifenden Änderungen interessiert.“Die Sozialdemokraten litten zudem an einer Sehnsucht nach Rot-Grün. Trotzdem gebe es „keine Alternative zur Großen Koalition“. Plötzlich besinnt sich Neumann auf den Ort des Geschehens und lobt die „gute Perspektive“, die die Bremerhavener mit dem Ocean-Park hätten. Der Wirtschaftssenator sei ja häufig in Bremerhaven, „Hartmut Perschau hat sich in der kurzen Zeit, in der er in Bremen ist, mehr Einzelwissen und Grundwissen angeeig5znet wie manch' ein Stadtverordner, der seit 20 Jahren in der Stadtverordnetenversammlung sitzt.“

Auch Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer setzt auf Geschlossenheit innerhalb der Partei. Ein sich drehendes Personalkarussell gebe es nicht. „Das ist der Phantasie einzelner Journalisten entsprungen. Ich bin froh, daß die Partei nicht darauf reinfällt.“Die CDU sei der „Leistungsträger der Großen Koalition“. Er sehe niemanden, der die CDU davon abhalten könnte, die nächste Wahl zu gewinnen: „Höchstens uns selber.“Daß es beim Hemelinger Tunnel unterschiedliche Positionen gegeben habe, sei normal. „Diejenigen, die glauben, wir würden aus der Sachdebatte eine Personaldebatte machen, werden wir eines Besseren belehren“, ruft Neumeyer. „Ich meine die SPD-Heckenschützen, die in den CDU-Ressorts versuchen uns auseinanderzudividieren.“Die Delegierten klatschen. Hinzuzufügen haben sie nichts. Als auf der Leinwand auf blauem Hintergrund die Aussprache zu den Reden Neumanns und Neumeyer aufgerufen werden, liegen keine Wortmeldungen vor. Die Delegierten stimmen den folgenden Anträgen zu – stumm und mit großer Mehrheit. „Blaue Vorlage“, „gelbe Vorlage“, erleichtert ihnen die Leinwand das Blättern in der Tagungsmappe. Erst als Borttscheller den Antrag stellt, das Einwanderungsgesetz abzulehnen, kommt Leben in den Parteitag. „Angesichts der Arbeitslosigkeit müssen wir ein elementares Interesse daran haben, den Zuzug von Ausländern zu begrenzen.“Jens Eckhoff, Vorsitzender der JU, tritt ans Mikrophon. Die JU will die gültigen Gesetze in Sachen Staatsbürgerschaft mit einem Initiativantrag „dringend reformiert“wissen. „Du machst Dir das zu einfach, Ralf“, ruft Eckhoff Borttscheller zu. Borttscheller: „Ich gestehe der JU ja das Recht zu, eigene Überlegungen anzustellen, aber sie sind kontraproduktiv.“Neumann schlägt in dieselbe Kerbe: Natürlich sei es das Recht der jungen Generation, sich Gedanken zu machen. Trotzdem rät er, Borttschellers Antrag zu beschließen. „Dann blamieren wir uns auch nicht im Außenverhältnis.“Niederbremer schlägt vor, den Antrag an den Landesvorstand zu überweisen und eine Arbeitsgruppe zu gründen. Eckhoff: „Wir könnten...“Teiser reißt das Wort an sich: „Ich werde nicht zulassen, daß die Delegierten hier ohne Spezialkenntnisse in die Irre geführt werden“, sagt er scharf. Schließlich decke sich Borttschellers Antrag mit der Linie der Bundespartei. Neumeyer versucht zu vermitteln. Die Anträge würden sich gar nicht so sehr voneinander unterscheiden. Teiser läßt den Antrag absatzweise abstimmen. Die Überweisung an den Landesvorstand wird aufgerufen. Die Delegierten sind dagegen. Eckhoff schüttelt den Kopf und geht zum Mikrophon. „Michael, stopp, stopp. Offensichtlich ist es hier nicht möglich, grundlegende Dinge zu diskutieren. Wir ziehen unseren Antrag zurück.“ kes

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