: Bosnien im Herzen
■ Ein amerikanischer Journalist über den Krieg und die Moral seines Berufes
Dem Amerikaner Peter Maass, für die Washington Post 1992/93 Korrespondent In Bosnien-Herzegowina, ließ dieser europäische Krieg keine Ruhe. Über vier Jahre nach seinem Weggang aus dem Kriegsgebiet hat er jetzt ein beeindruckendes Buch über seine Erfahrungen veröffentlicht. Engagiert verbindet er seine Erlebnisse, wie den Besuch des KZs Trnopolje oder das Exklusivinterview mit Slobodan Milošević, mit klugen Reflexionen über seine Arbeit als Journalist.
Sein Buch ist eine Mischung aus Essay, Reportage, Tagebuch und Memoiren. Maass ist ein Experte für das Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, er kennt die nationalen und internationalen Akteure des Krieges, und er kennt die Opfer. Nicht nur die Informationen, die der Augenzeuge Maass dem Leser auf sehr eindrückliche Art nahebringt, machen dieses Buch zu einem journalistischen Meisterwerk. Faszinierend ist vor allem Maass' sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Krieg, an dem er ja nur als Beobachter teilnahm. Sein Buch könnte auch den Titel tragen: Bosnien und ich. Was bedeuten all die lokalen Kriege und „kleinen“ Völkermorde in der Welt für die westlichen Demokratien? Peter Maass kühle und genaue Gedankenführung führt von Bosnien über Somalia und Vietnam bis zurück nach Auschwitz.
Der Autor begreift, daß er, der 1960 geborene Sohn deutscher Juden, 1942 in Berlin „der Bosnier“ gewesen wäre. Er erkennt das Versagen der westlichen Regierungen, die im April 1993 das New Yorker Holocaust-Museum einweihten, ohne darüber nachzudenken, daß zur gleichen Zeit ein neuer Völkermord passiert. Peter Maass großes Thema ist die Moral seines Berufsstandes, ein Plädoyer für Engagement und Parteilichkeit. Gerade diese letzte Dimension kann sein Buch zu einem Klassiker über moderne Kriegsberichterstattung werden lassen. HH
Peter Maass: „Die Sache mit dem Krieg. Bosnien von 1992 bis Dayton“. Aus dem Amerikanischen von Barbara Scriba-Sethe, Knesebeck Verlag, München 1997, 360 Seiten, 44 Mark
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