piwik no script img

Vermittlungsversuch im Westsahara-Konflikt

■ Der frühere US-Außenminister Baker besucht als UN-Gesandter die Region

Madrid (taz) – James Baker, frischgekürter UN-Vermittler im Konflikt zwischen Marokko und der Polisario, kann einen bescheidenen Erfolg verbuchen: Die Polisario, die seit 1976 um die Unabhängigkeit der von Marokko besetzten ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara kämpft, kündigte anläßlich des Besuches des ehemaligen US-Außenministers die Freilassung von 85 der 2.000 marokkanischen Kriegsgefangenen an. Der vor einem Monat zum Sondergesandten bestellte Baker traf bei seiner ersten Kontaktaufnahme mit Vertretern der beiden Konfliktparteien sowie der Regierungen Mauretaniens und Algeriens zusammen.

In den Flüchtlingslagern bei Tindouf, im Südwesten Algeriens, wurde Baker mit großer Begeisterung empfangen. Die Sandpiste hinunter zum Lager Smara, einem der vier Camps, in denen 200.000 Sahraouis ihr Dasein fristen, seit Marokko ihre Heimat nach dem Abzug der spanischen Kolonialtruppen im Februar 1976 besetzte, war von Menschenmengen gesäumt, die begeistert die Fahne der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) schwenkten. Tausende Frauen stimmten traditionelle Freudengesänge an, als die Eskorte am Horizont auftauchte. Ein riesiges Transparent verkündete in der Sprache der einstigen Kolonialherren „Bienvenido, Mr. Baker!“.

Unübersehbar war die Hoffnung der Menschen, eines Tages vielleicht doch noch die unwirtliche algerische Stein- und Sandwüste verlassen zu können. Eine Hoffnung, die viele bereits verloren hatten. Vor einem Jahr nämlich hatte die UNO die Vorbereitung für ein Referendum über die Unabhängigkeit des Landes eingestellt und einen Teil der Blauhelme abgezogen, die dort seit 1991 den Waffenstillstand überwachten. Marokko und die Polisario hatten sich nicht über die Liste der Stimmberechtigten einigen können. Die Polisario hatte Marokko vorgeworfen, Zehntausende von Marokkanern als Sahraouis einschreiben zu wollen, um so den Ausgang der Volksabstimmung zugunsten Marokkos zu gewährleisten. Ob die UNO die Referendumsvorbereitungen wiederaufnehmen oder einen alternativen Friedensplan vorlegen wird, mochte Vermittler Baker nicht erläutern. Er will zuerst mit UN-Generalsekretär Kofi Annan Rücksprache halten.

Eine Autonomie statt Unabhängigkeit, wie sie Marokko bei Direktverhandlungen im Spätsommer 1996 anbot, lehnt die Polisario strikt ab. Wie lange die Befreiungsbewegung ihre Forderung nach einem eigenen Staat aufrechterhalten kann, hängt allerdings von Algerien ab, auf dessen Boden sich nicht nur die Flüchtlingslager, sondern auch die Regierung und die rund 30.000 Mann starke Befreiungsarmee befinden. Für Algier wird dies zusehends zum Problem. Marokko ist nämlich für Algerien zu einem wichtigen Verbündeten im Kampf gegen die radikalen Islamisten geworden. Reiner Wandler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen