: König ohne Krankenkasse
■ Peter Handkes Zurüstungen für die Unsterblichkeit im Thalia Theater
Spätestens der Untertitel von Peter Handkes jüngstem Drama Zurüstungen für die Unsterblichkeit läßt den Normalsterblichen stutzen: Ein Königsdrama sei es, heißt es da. Und das, obwohl das Stück heute spielt, genauer gesagt „vom letzten Kriege bis jetzt und darüber hinaus“. Ein König, heute? Die Personenangabe führt nur „die letzten Könige“auf. Die sind aber gar nicht gemeint. Peter Handke, zuletzt in aller Munde wegen eines etwas zu poetischen Artikels über „walddunklen Honig“im verdammt prosaischen Serbien, schreibt über einen anderen: den neuen König. Über den neuen Gesetzgeber, die neue Ordnung, eine neue Welt.
Jens-Daniel Herzog mag den Text. In einer Nacht hat er ihn gelesen, „noch warm von der Schreibmaschine“. Das war im vergangenen Jahr, als der 32jährige am Thalia Theater gerade den Mittsommernachtstraum probte. Jetzt probt er hier die Zurüstungen, weil er „die volle, satte Sprache“des Dramas mag und seine Direktheit. „Da ist nichts mit: ,Dürfen wir ein bißchen Sozialwohnung', sondern da schüttelt der Dichter seine Dichtermähne und macht, was Theater immer gemacht hat: große Themen. Verderben oder Glückseligkeit – dazwischen ist nichts. Auch keine Krankenkasse.“
Handkes Stück, von Claus Peymann im Februar in Wien uraufgeführt, erzählt von zwei ungleichen Söhnen in einer verwüsteten „Enklavenrepublik“, die ihr Volk rächen sollen. Recht und Gerechtigkeit sind die zentralen Begriffe, dazu kommen Macht und – wie so oft bei Handke – das Erzählen. Felipe, der ewige Verlierer, ist Chronist; Pablo, der stete Sieger, vermählt mit „der schönen Wandererzählerin“, die Hoffnung. Er soll ein neues Gesetz schaffen, das nicht nur sein Land, sondern die ganze Welt glücklich macht.
„Rache! Rache? Gerechtigkeit!“beginnt das Drama. Herzog interpretiert das als Steigerung: „Gerechtigkeit ist bei mir der brutale, fundamentale Klimax.“In einer „immer unverbindlicher werdenden Welt“sehne sich doch jeder nach Verbindlichkeiten. Natürlich sei das ein reaktionäres Bedürfnis. Aber andererseits beinhalteten Gesetze ja nicht nur Ver-, sondern auch Gebote: „Woodstock hat's doch auch versucht.“
Nicht „Weltverbrabbelung“, sondern konkrete Situationen brauche die Bühne, weshalb Herzog alle „altväterlichen Zweifeleien“aus dem Text über Helden und Erlöser gestrichen hat. Weil aber in Deutschland Geist und Macht noch nie vermählt waren, fängt das Volk bei der visionären Drohung der Erzählerin – Fantasie oder Faschismus – lediglich an zu popeln. Christiane Kühl
Premiere: Di, 6. 5. , 20 Uhr, Thalia
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