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Zweifeln erlaubt, Behaupten verboten

■ Wer schreibt, Wolfgang Grams sei ermordet worden, wird bestraft

Die Behauptung, der mutmaßliche „Terrorist“Wolfgang Grams sei 1993 von Beamten der Eliteeinheit „GSG 9“auf dem Bahnhof in Bad Kleinem ermordet worden, stellt eine zu bestrafende Beschimpfung der „verfassungsmäßigen Ordnung“der Bundesrepublik dar. Zu diesem Urteil kam gestern vor dem Altonaer Amtsgericht die Hamburger Richterin Kathrin Bellinger.

Die Juristin verdonnerte die verantwortliche Redakteurin des in Hamburg herausgegebenen „Angehörigen-Infos“, Christiane Schneider, zu einer Geldstrafe von 2.700 Mark. Der Stein des Anstoßes: In dem 1989 von FreundInnen und Angehörigen der „RAF-Gefangenen“gegründeten Monatsblatt waren Anfang 1996 zwei Artikel erschienen, in denen von der „Erschießung“, „Hinrichtung“und dem „Mord“an Wolfgang Grams die Rede war.

Die Amtsrichterin kam in dem von der Karlsruher Bundesanwaltschaft initiierten Verfahren zu dem Ergebnis, daß Medien lediglich Zweifel an der offiziellen Selbsttötungsthese äußern dürfen. Sie dürften aber nicht behaupten, es habe eine „planvolle Tötung“stattgefunden.

Schneiders Verteidiger Joachim Blau hatte dagegen argumentiert, daß die Tatsachenbehauptung durch die im Grundgesetz verbürgte Pressefreiheit voll gedeckt sei. Nur „leichtfertig erhobene, nachweisbar unwahre“Behauptungen würden nach einschlägiger Rechtssprechung nicht vom Grundgesetz geschützt.

Da aber aufgrund medizinischer Gutachten, widersprüchlicher Zeugenaussagen und zahlreicher Ermittlungsfehler „vernünftige Zweifel“an der Selbstmord-Version „möglich“seien, müsse es auch erlaubt sein, zu behaupten, Grams sei erschossen worden. Auch die juristische Einstellung der Ermittlungen gegen die Beamten könne die kontroverse Diskussion über die Todesumstände von Grams nicht beenden.

Zudem sei, so der Verteidiger, die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik keinesfalls beleidigt worden. Im Gegenteil: Die VerfasserInnen der inkriminierten Artikel hätten eine rechtsstaatlich korrekte Aufklärung der Vorfälle in Bad Kleinen gefordert und damit den Verfassungsanspruch der Wirklichkeit positiv gegenübergestellt. Joachim Blau kündigte an, „Rechtsmittel“gegen das „Maulkorb-Urteil“einzulegen.

Marco Carini

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