„Der Vulkan brauchte gar kein Geld“

20. Mai 1996: Um fünf Minuten vor zwölf – gut zwei Stunden nach der Beginn der Debatte – stimmt die Bürgerschaft in einer Sondersitzung einstimmig für die Einrichtung eines Vulkan-Untersuchungsausschusses, der die Hintergründe der Pleite des Schiffbaukonzerns aufklären soll.

Die Große Koalition hatte sich zwar gegen den Ausschuß ausgesprochen. CDU und SPD stimmten trotzdem für den Ausschuß – sie hatten keine Chance, den Ausschuß zu verhindern. Mindestens ein Viertel der 100 Abgeordneten muß für einen Untersuchungsausschuß stimmen. AfB und Grüne, die Antrag auf Einrichtung eines Untersuchungsausschusses gestellt hatten, haben 26 Stimmen.

16. Oktober 1996: Die erste Sitzung des Vulkan-Untersuchungsausschusses beginnt mit einer spektakulären Enthüllung: Friedrich Hennemann war ein Leiharbeiter Bremens . Nach seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst blieb er Angestellter des Landes – mit der ausdrücklichen Ermächtigung, als Vulkan-Chef bremische Belange wahrzunehmen.

18. Oktober 1996: Der ehemalige Vulkan-Chef Wolf-Elmar Warning, der 1987 fünf Monate an der Spitze des Konzerns stand, geht mit den Schiffbauern hart ins Gericht: „Bei fünf gebauten Schiffen mußten sie eins wegschmeißen.“

29. Oktober 1996: Wilhelm Scheider, ehemaliger Vulkan-Aufsichtsratsvorsitzender räumt vor dem Ausschuß ein, daß er an der Altersversorgung für Hennemann mitgewirkt habe. Ansonsten kann sich Scheider an kaum etwas erinnern. „Das ist alles verdammt lange her.“Später stellt sich heraus, daß Scheider Hennemanns Dienstvertrag unterschrieben hat.

30. Oktober 1996: Über die Hibeg (die landeseigene Hanseatische Industrie-Beteiligungs-GmbH) regierte das Land den Vulkan. Das ergibt sich aus der Aussage ihres Geschäftsführers Klaus Geertz. Freimütig berichtet er vor dem Ausschuß, daß die Hibeg immer dazwischengeschaltet wurde, wenn Geld vom Land in den Vulkan floß.

Um 1988 ein riesiges Loch in der Vulkan-Kasse zu stopfen, kaufte die Hibeg zum Beispiel auf Geheiß des Landes für 256 Millionen Mark Schiffsbeteiligungen – zu einem völlig überhöhten Preis. Auf diese Weise wurde die Kasse des Vulkans mit Steuergeldern aufgefüllt. Mit Hilfe der Hibeg wurde außerdem die Europäische Union getäuscht, die Vulkan-Aktionäre beruhigt und die parlamentarischen Gremien umgangen.

31. Oktober 1996: Mit 6.000 Arbeitsplätzen als Faustpfand habe der Vulkan-Verbund die Landesregierung jahrelang „politisch erpreßt“, sagt der ehemalige Senatsdirektor Andreas Fuchs.

5. November 1996: Friedrich Hennemann fühlt sich am Untergang des Schiffbaukonzerns unschuldig. „Der Erfolg hat mir recht gegeben“, zeigt Hennemann sich vor dem Ausschuß selbstbewußt und schiebt die Schuld auf die Große Koalition. Bis zum 5. Juli 1995 sei beim Vulkan alles in Ordnung gewesen. Dann hätte die Koalition aus CDU und SPD den Vulkan gelöscht.

7. November 1996: Der Tanz auf dem Vulkan blieb den Parlamentariern verborgen, sagt der ehemalige Bürgermeister Ralf Fücks (Grüne) vor dem Ausschuß. Mit der Drohung, das Schicksal der Werftarbeiter stünde auf dem Spiel, sei die Zustimmung von Millionensummen regelmäßig per Tischvorlage von der Senatsverwaltung durchgesetzt worden, erinnerte sich Fücks der seinerzeit im Bürgschaftsausschuß saß.

26. November 1996: Der ehemalige Finanz- und Arbeitssenator Claus Grobecker (SPD) verteidigt die Finanzspritzen für den Vulkan. „Ich bin 1993 Arbeitssenator geworden und nicht Arbeitslosensenator.“Knapp drei Wochen vorher war ein Brief Grobeckers an Hennemann in der taz veröffentlich worden: Grobecker hatte seinen Freund Friedrich darum gebeten, ihm Aufsichtsratsposten beim Vulkan zuzuschanzen – für eine Aufwandsentschädigung von 6.000 Mark. „Das ist die Summe, die ich bis zur Erreichung eines Senatorengehalts verdienen kann.“

28. November 1996: Friedrich Hennemann steht wieder vor dem Untersuchungsausschuß. Die Abgeordneten wollen mehr über seinen Dienstvertrag mit dem Land Bremen erfahren. Hennemann verweigert die Aussage. Der Ausschuß zieht vor Gericht und bekommt recht.

29. November 1996: Bremens ehemaliger Bürgermeister Hans Koschnick (SPD) erhebt schwere Vorwürfe gegen den Vulkan. Der Senat sei vom Management jahrelang getäuscht worden. Ihn habe oft „der Zorn gepackt.“

Später sei dem Senat nichts anderes übrig geblieben, als dem Vulkan immer wieder finanziell unter die Arme zu greifen.

25. Februar 1996: Hätte das Vulkan-Desaster verhindert werden können? Dieser Frage stellt sich der Untersuchungsausschuß zu Beginn der zweiten Runde. Manfred Timmermann, ehemaliger Controller beim Vulkan, will mehrere Politiker mehr oder weniger deutlich darüber informiert haben, daß der Vulkan nicht in der Lage sein würde, die Gelder für die Ost-Werften zurückzuzahlen.

Timmermann verließ im Oktober 1993 den Konzern, weil er schon damals gesehen habe, daß es mit dem Vulkan nicht zum Besten stand. Im Dezember 1993 machte er der ehemaligen Treuhand-Chefin Birgit Breuel gegenüber „Andeutungen“. Danach informierte er den Ministerpräsidenten von Mecklemburg-Vorpommern, Bernt Seite (CDU). Auch dem ex-Wirtschaftssenator Claus Jäger (FDP) und dem Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) habe er Gespräche über die Gründe seines Weggangs beim Vulkan angeboten. Die Politiker hätten sich nicht gemeldet.

12. März 1996: Der Ex-Vorständler Karl-Friedrich Triebold verteidigt Hennemann. Der Vulkan-Chef sei kein Guru gewesen, der die Leute in die Tasche gesteckt hätte. Vor der Staatsanwaltschaft sagte Triebold etwas anderes: Hennemann hätte das Unterweser-Konzept nur genutzt, um die Kasse des Vulkans mit Hilfe des Landes aufzubessern.

14. März 1996: Ex-Bürgermeister Wedemeier widerspricht: „Das ist immer nur so dargestellt worden als wäre ich mit dem Scheck über 200 Millionen Mark rumgerannt.“SPD-Obmann Jens Böhrnsen zieht die Lacher mit einem Zitat Hennemanns auf seine Seite: „Um es klar zu sagen, der Vulkan brauchte gar kein Geld. Im Gegenteil, wir brauchten in den nächsten Jahren nicht mal Bankkredit“, sagte der Vulkan-Chef am 21. April 1995 - gut ein Jahr vor der Pleite in einem Interview.

.Etwa zwei Jahre würden sie zur Aufklärung des Vulkan-Desasters brauchen, schätzten die elf Parlamentarier als sie im Oktober' 96 ihre Arbeit aufnahmen. „Ich glaube aber, daß sich alle wünschen, daß wir so schnell wie möglich durchkommen“, faßte Elisabeth Motschmann (CDU) die Stimmung kürzlich zusammen. Wann die letzte Phase des Vulkan-Konzern, von Mai 1995 bis Mai 1996, untersucht wird, steht noch nicht fest. kes