piwik no script img

Meine Kaffee-Kauf-Krise Von Susanne Fischer

War nicht der Supermarkt der Anfang vom Ende? Dieses haltlose Versprechen, alles Wünschbare an einem Ort zusammenzufegen, und den Kunden, der einen riesigen Gitterschlund vor sich herschiebt, auf die Odyssee in die Abgründe seiner eigenen Verführbarkeit zu jagen? Ihn vor den Regalen tänzeln zu lassen, japsend „das – und das – und das auch noch!“ Am Ende ist's ein Wunder, wenn man nicht die Tiefkühltruhen und Registrierkassen mit eingeladen hat. Wie eine Eins standen dagegen die kleinen, feinen Geschäfte für Spezialitäten. Fast stolz verkündeten die Verkäuferinnen: „Tut mir leid, aber den Artikel führen wir nicht!“ Läden gab es, in denen nur Schrauben verkauft wurden. Käseläden und Wurstverkaufsstellen gibt es immer noch, während Handelsniederlassungen für Laubfroschbedarf oder Spezialgeschäfte für Spazierengeher praktisch als ausgestorben gelten müssen.

Zum Verräter aber wurde das Kaffeegeschäft, ursprünglich ganz dem Spezialisierungsgedanken verpflichtet – damals, als Kaffeegenuß und Kaffeekauf noch etwas ganz Besonderes, quasi eine Oase des luxuriösen Lebensvollzugs schwer gehobener Nasen darstellten. Ein Konzept, das vom wehenden Mantel der Geschichte überholt, wenn nicht gar von den harten Gesetzen des Marktes beiseite geschoben bzw. platt gemacht wurde. Wir wissen es: Die Großröster begannen, mit Uhren, Fahrrädern und Porzellanlaubfröschen zu handeln, um den harten, harten Kampf (von schnöden Marktgesetzen diktiert) nicht hinterrücks zu verlieren. Einige verkauften sogar Keramikschmetterlinge, die gleichzeitig als Serviettenbeschwerer beim Picknick eingefleischter Spaziergänger Dienst tun konnten. Nun stellte sich plötzlich ein deutlicher Sog ein. Kaffeegeschäfte funktionierten auf einmal wie die Staubsauger des Marktes: Komm zu uns! riefen sie den Kunden zu. Kauf dir einen Auffüllöffel für Schrauben! Gibt's nur hier und nur zwei Wochen und bloß für 15 Mark 99! Schnell wurde der Kunde zum Opfer zweier großer Konkurrenten, die sich mit Käsereiben und Schinkenmessern die besten Marktanteile von ihm abschabten. Nebenbei entstanden ganze Religionen: „Ich bete an die Uhr von Tchibo“, schallte es auf der einen Straßenseite, während die andere patzig ihr „Lobet Eduschos Platzteller!“ zurückgab.

Und jetzt läuft der Sinn aus meinem, den harten Marktgesetzen unterworfenen Leben. Nach der Fusion der Kaffeehändler ist nämlich alles eins, und ich, mit einem Tchibo-Tüchlein meine Tränen trocknend, fühle mich wie damals, als ich an der Bahnstrecke Hamburg–Hannover jene „Firma für Werbegeschenke“ entdecken mußte und somit ahnte, daß jene vorgetäuschte weihnachtliche Vielfalt von Kalendern, Kugelschreibern und Gimmicks in Wahrheit aus einer groben Hand stammte. Mit dem Kapitalismus ist es Schwindel!, möchte ich deshalb hier in meinem kleinen Souterrainladen für einwandfreie Marken- Erkenntnisse verkünden. Und feststellen, daß unsere Wirklichkeit aus einem grauen Laden für Bundesrepublikbedarf stammt, und zwar von Kopfschuppen über Schokoladenpudding bis zum Jägerzaun aus einem Guß, direkt aus der No-Name-Ecke des kuppelförmigen Großmarkts, dessen Ausmaße unser Vorstellungsvermögen (Sonderangebot) übersteigen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen