"Liebe taz..." Professor Kreiter redet die Tierquälerei schön - betr.: Verstehen, wie das Gehirn funktioniert", taz vom 28.4.1997

Betr.: „Verstehen, wie das Gehirn funktioniert“, taz 28.4.

Ist es Scheinheiligkeit, Sarkasmus oder Ignoranz, wenn ein Doktor der Biologie seine eigenen tierquälerischen Praktiken schönredet? Natürlich sagt er, „wenn man dann nach bestem Wissen und Gewissen alle Möglichkeiten, das Gehirn des Versuchstieres zu untersuchen, genutzt hat, muß man präzise und genau verifizieren (...). Da ist die einzige Möglichkeit die Histologie.“

Klipp und klar ausgedrückt bedeutet dieser Satz nämlich: Wenn die Tiere keine neuen Ergebnisse mehr liefern, bringen wir sie um. Aber egal, was er den Affen antut, er tut es „nach bestem Gewissen“. Er implantiert den Tieren Schrauben und Meßgeräte, um ihren Kopf dann bis zu acht Stunden pro Tag vor einem Videomonitor festzuschrauben. Er verabreicht den Affen, deren Speiseplan in freier Wildbahn bis zu 98 Prozent aus Früchten besteht, lediglich Trockenfutter. Die lebensnotwendige Flüssigkeit müssen sich die durstigen Tiere erst erarbeiten.

Das ist aber nicht der einzige Grund, warum die Tiere den „Primatenstuhl“von sich aus betreten. Ein Auszug aus Kreiters Doktorarbeit: „Die gleichzeitig mit Hilfe der verschiebbaren Rückwand vorgenommene Verkleinerung der Käfigfläche veranlaßte den Affen, sich ganz in den Affenstuhl zu setzen.“Warum, Herr Kreiter, verheimlichen sie diese Fakten und sagen stattdessen: „Richtig ist, daß das Tier freiwillig in den Stuhl kommt?“Haben sie angst, Emotionen bei der Bevölkerung zu wekcen? Befürchten Sie, daß aufgebrachte Laien sich fragen: Heiligt der Zweck wieder einmal die Mittel? Lohnt es sich, diese wilden Tiere, die in freier Natur in Familiengruppen auf Bäumen leben und einen Lebensraum von mehreren Quadratkilometern beanspruchen, zu isolieren, einzupferchen, zu foltern und schließlich zu töten? Auf die Frage nach dem Sinn Ihrer Forschung verstricken Sie sich in Widerspräche.

Einerseits sagen Sie, Sie können „Menschen, die psychiatrische Probleme haben, besser helfen.“Wenige Sätze später jedoch geben Sie zu, daß man durch diese Art der Forschung zwar verstehen könne, wie das Gehirn funktioniert, für eine gezielte Manipulation des individuellen Gehirns aber reichten die Ergebnisse niemals aus. Für eine äußerst fragwürdige Forschung muß also ein Dutzend wehrloser Affen nach jahrelanger Qual sein Leben lassen, und der Verantwortliche stellt es auch noch so dar, als hätten die Tiere keine Schmerzen und die Haltung sei mindestens genauso gut wie im Freiland.

Wird er, um diese Lüge aufrechtzuerhalten, demnächst seinen dreijährigen Sohn anstelle der Affen auf den Primatenstuhl setzen, oder wie weit geht ein so skrupeloser Mensch? Es liegt an uns allen, dieser lebensverachtenden Art der Forschung endlich ein für allemal Einhalt zu gebieten.

Jens Wessels, Biologie-Student