: Hippieclowns auf ewigen Ferien
■ „Die große Jagd“auf Korsika: Neue Mikrodramen von Butzbacher & Brommelmeier
Vorbei. Ende des Weges. Vom Ziel verführt? Bonifacio, Rue Archivolto No. 6. Sieben Jahre tagträumte das ungleiche Freakduo B&B alias Butzbacher (Martin Pollkläsener) und Brommelmeier (Hans König), kultisch verehrt im Lagerhaus in der sprachspielerisch verzwirbelten Satzarchitektur Hans Königs. Jubilierende Oden an die geliebte Jona waren erklungen; wandernd wurde Korsika als geradezu metaphorischer Ort für eine absurde Weltsicht durchschritten. Man strebte die Verclownung des Daseins an und immer wieder auf Jona zu. Aber Jonas Lippen blieben kühl. Jetzt ist die Angebetete fort – und B&B sind zurück auf dem Boden der Tatsachen. Seßhaft bei den Korsen, „auf geliehener Matratze, ohne die Last irgendeines Besitzes.“„Jubelnde Sonnenuntergänge“lassen die Wangen der Taugenichtse froh erglühen. Beglückende Ereignislosigkeit. Ewige Ferien.
„Die große Jagd“, die jüngste Uraufführung von 19 Szenen theatraler Fortsetzungsdramatik, ist im Untertitel zwar hoffnungsvoll „Le beau temps revient“betitelt, aber B&B wissen es besser. Butzbacher: „Wir sind gescheitert.“Brommelmeier: „Aber nicht schlecht“.
B&B anno 1997: Abhängen, Glückstanzen, Liebeständelei, edler Trunkgenuß in Unmaßen. „Mit dir diskutier' ich nicht mehr 'rum“, sagt Butzbacher, setzt die Rum-Flasche an und verzichtet auf seine berüchtigte Grimassenakrobatik. Brommelmeier serviert derweil den Status Quo noch einmal als Grundkurs in Philosophie: „Hatte ich mich heute morgen aus dem Bett erheben können? Wie, aus welchem Grunde? Welcher Verheißung bin ich gefolgt? Ich, dieses schwitzende Wort? Dieser lädierte, zerplatzte Haufen ,völlig falscher Vorstellungen'. Wie ist es ich möglich gewesen, all die Jahre Antworten zu geben auf diese Übelkeit verursachende Evidenz der Umstände?, die ihm milchige Kiesel, gemeine Lehrer und wildgewordene Schicksalsmächte in den Weg legen?“Hippieclowns – von der Realität eingeholt?
Das Monolögchen täuscht. Die Szenen sind dialogisch strukturiert, lassen den Figuren viel Raum. Und die beiden Erzähler der früheren Stücke (Michael Pundt/Janine Jaeggi) avancieren zu gleichwertigen Mitspielern. Die zunehmend verbildetere Sinnhuberei von B&B wirkt nun boulevardisiert – zwischen Kalauer und höherem Unsinn. Der Anspruch sonnt sich am Strand.
Dieses vierte B&B-Abenteuer ist entspannter, konventioneller, wirkungsvoller als die vorhergehenden. Auch weil eine simple Verfolgungsjagddie Szenen zusammenbindet: Freundin komareif vom Auto gestreift, Täter suchen, FLNC-Seperatisten finden, Prügelkuddelmuddel als existentielle Grenzerfahrung – auf daß die Rache später um so schöner scheppere. Hinter dieser äußeren Dramatik verbirgt sich der Stillstand der Zeit. B&B sind aus dem Weltplan, also aus dem Schema der bürgerlichen Gesellschaft gefallene Clochards, die nichts mehr zu tun haben, weil sie mit der Welt nichts mehr zu tun haben. Man ist einfach nur da, will nun aber nicht (da tapst Königs Liebe zur Philosophie heran) die Geworfenheit des Heideggertums heldisch zum Entwurf umwandeln, sondern lediglich den Sinn- in einen Spaßbegriff ummodeln – alles easy. Das Leben als Spiel – clownesk, folgenlos. Das Ende?
Noch wird gescherzt. Butzbacher schwadroniert über den morgendlichen Joghurt: „Er schläft, ich wecke ihn. Der Morgen beschert die Illusion einer Weichheit, in die ich löffelscharf schneide..“Auf dem „Platz der inneren Blutung“präsentiert König das schwyzer-deutsche Paar Rudolf/Regula in den letzten Streitzuckungen ihrer Ehe: „Seifenoperdialogstricker“– „Kurzbein-Antilope“– „Deine Witze sind genauso spritzig, wie dein abgerauchter Glimmstengel hinter den sieben Unterhosen.“– „Und das sagt eine, die nicht mal mehr Eierstöcke hat.“Irgendwie sind wir alle Rudolf & Regula – und sollten doch B&B sein. Die sich dann nochmal aufraffen. Und nicht nur Rudolf bemerkt beim finalen „Linsenlied“das „echte, alte Feuer“, alles vergnüglich zu nehmen und das Publikum zum konspirativen Mitsummen zu animieren: „weil der Strom ausfällt in Trinidad / trifft ein Wal den andern / und weil ein Koch kein Mehl mehr hat / fangen vier Nieren an zu wandern.“Ende vom Ende. Jens Fischer
Weitere Vorstellungen: 2. bis 4. sowie am 7. und 8. Mai jeweils 20.30 Uhr im Lagerhaus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen