Königskinder geben nicht auf

Ein Jahr nach der gescheiterten Fusion von Berlin und Brandenburg: Der Notbehelf Koordinierungsrat ist mal Kungelrunde, mal Kampfplatz  ■ Von Christian Füller

Manfred Stolpe spielte Aschenputtel. Eine „Entscheidung“ im berlin-brandenburgischen Koordinierungsrat kam ins Töpfchen. Die „Themenverschiebungen“ nahm er ins Kröpfchen. Zwölf zu sieben stand es am Ende für beschlossene Projekte, frohlockte Stolpe. Dennoch wird der märkische Ministerpräsident keinen schönen Berliner Prinzen heiraten können.

Eberhard Diepgen mimte den stolzen Prinzen. Berlin und Brandenburg hätten ein bundesweit einmaliges Abstimmungsgremium für (Landes-)Grenzen überschreitende Fragen geschaffen, sagte der Regierende Bürgermeister nach der letzten Sitzung des Koordinierungsrates im April. Kein anderes Länderpärchen lasse seine Minister so oft zu regelmäßigen Konsultationen zusammenkommen. Aber enger dürfen sie nicht zusammenrücken. Denn das Volk lehnte vor einem Jahr die Länderehe ab.

Am 5. Mai 1996 scheiterte der Versuch einer „Neugliederung des Bundesgebiets“, wie der verfassungsrechtliche Terminus lautet. Uckermärker, Lausitzer und Spreewälder votierten klar gegen die Verschmelzung Berlins und Brandenburgs. Mehr als 60 Prozent lehnten die Fusion ab. Die BerlinerInnen dagegen hatten für ein Zusammengehen der Länder gestimmt. Sogar im reichen, konservativen Zehlendorf fürchtete kaum jemand die Fusion mit dem roten Brandenburg.

Nun besprechen die Regierenden also „alle wesentlichen, die gemeinsame Region betreffenden Angelegenheiten“ im Koordinierungsrat, der halbjährlich tagt.

Was ist der Koordinierungsrat: Kaffeekränzchen, Kungelrunde oder Kampfplatz unterschiedlicher Interessen? Von allem ein bißchen. Zeitlich verdächtig nahe am Weihnachtsfest trafen sich die Kabinette erstmalig zu einer gemeinsamen Sitzung. Das soll auch zu diesem Krippenfest so sein. Die Berliner Sozialdemokraten sind dann glücklich, weil sie zusammen mit Stolpes Ministerriege endlich mal die Mehrheit haben. Und auch die Christdemokraten sind froh. Schließlich ist bald Weihnachten, und da wird nichts beschlossen.

Bei den drei bisherigen Treffen war der Koordinierungsrat zumeist ein Kampfplatz. Von Angesicht zu Angesicht können Stolpe, Diepgen und ihre Kabinette dann jene Unfreundlichkeiten klären, die sie zuvor medial ausgetauscht haben. „Der Presserummel ist vermeidbar, wenn wir miteinander an einem Tische sitzen“, glaubt Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD). Dann könne man auch „die Extraschimpfe, die man so hat“, geräuschloser bereinigen als per Briefwechsel oder Pressemitteilung.

Ingrid Stahmer und ihre Parteifreundin, Brandenburgs Bildungsministerin Angelika Peter (SPD), sind sich freilich auch im Koordinierungsrat nicht einig geworden. Die Berliner wollten einen finanziellen Ausgleich für die SchülerInnen aus der Mark, die – bislang gratis – in der Hauptstadt pauken. 4.000 mehr Brandenburger als Berliner lernen im anderen Land. Da seien 43 Millionen Mark Ausgleichszahlung fällig, beantragte Schulsenatorin Stahmer.

Die Brandenburger schüttelten mit den Köpfen. Geld gebe es nicht und soviel schon gar nicht, hieß es. Höchstens sei eine Verrechnung denkbar, wie sie bei Kindergärten und Sonderschulen bereits praktiziert wird. Der Konflikt wurde verschoben bis zum nächsten Koordinierungsrat im September.

Am besten funktioniert der Koordinierungsrat als Kungelrunde. Hinter verschlossenen Türen läßt sich manche politische Finte einfädeln – quer über Länder- und Koalitionsgrenzen hinweg.

Beispiel landwirtschaftlich-gärtnerische Fakultät: Weil er die Rettung des renommierten Instituts der Humboldt-Universität im Senat nicht durchsetzen konnte, plazierte Eberhard Diepgen das Thema im Koordinierungsrat. Der beschloß, daß die Fakultät wichtig sei. Mit diesem Beschluß von höchster Stelle hat Diepgen seinen Senat rumgekriegt. Die Fakultät bleibt. Beispiel dezentrale Konzentration: Dieses Konzept zur regionalen Entwicklung Brandenburgs gilt auch manchem Minister aus Stolpe-Land als schöne, aber realitätsferne Idee.

Offiziell ist das Konzept noch gültig. Aber hinter den Kulissen des Koordinierungsrates läßt es sich sachte korrigieren, ohne daß neugierige Abgeordnete oder die Presse es merken. Häufig ist der Koordinierungsrat aber schlicht ein Gremium mehr. „Bei den meisten Themen weiß man vorher, daß nichts rumkommt“, berichtet ein Insider. „Da kommt man dann wieder raus, und es war halt eine Sitzung unter anderen.“