Kerbtiere im All

■ Ferne Galaxien und zermanschte Insekten aus der Blue Box: "Lexx - The Dark Zone" (Sonntag, 22.05 Uhr, Vox)

1984: Das „Wild Boys“-Video von Duran Duran dokumentiert in nur vier Minuten die ästhetische Vision eines ganzen Jahrzehnts.

1994: Das „Welcome to Tomorrow“-Video von Snap! dokumentiert in nur vier Minuten die ästhetische Vision eines ganzen Jahrzehnts.

1997: „Lexx – The Dark Zone“ dokumentiert in vier mal neunzig Minuten, was passiert, wenn man eine Handvoll New-Wave-Popper, die soeben dem Duran-Duran-Video entsprungen scheinen, in virtuelle Welten montiert, die soeben aus den Snap!-Rechnern gekrochen kamen: Wir befinden uns in einer fernen Zukunft, in der (so informiert uns der Prolog aus dem Off) vor vielen Millionen Jahren eine „Brunnen-G“ genannte Zivilisation der Menschheit zum entscheidenden Sieg über die Insekten verholfen hat, weshalb diese „Brunnen-G“ zu Beginn der deutsch-kanadischen „Space-Opera“ mit einem intergalaktischen Shanty auf den furchtlosen Lippen („Hey-ho! Hey-ho!“) durch ein Universum magentafarbener Milchstraßen sausen – bis es nach etwa fünf Minuten Sendezeit plötzlich 2008 Jahre später ist. Gut zwei Millennien nach 22 Uhr wird man alsdann Zeuge einer wirren Ad-hoc-Rebellion gegen das totalitäre „Schatten“-Regime („Möge Sein Schatten auf Euch fallen!“ – „Göttlicher Schatten! Ihr müßt den Ewigen Kuß ausführen!“ usw.), in deren Verlauf ein übriggebliebener „Brunnen-G“ gemeinsam mit einem feigen Trottel in Liftboy-Montur und der aus „Pumuckel-TV“ bekannten Eva Habermann im Zellstoff-Mini das voyagermäßige Raumschiff Lexx kapert und sich aufmacht, unbekannte Welten zu entdecken und fremde Zivilisation. Die Lexx dringt dabei in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen. Doch wie sehenswert diese Galaxien sind, ist durchaus fraglich. Der für die unendlichen Weiten der „Dark Zone“ zuständige Computerdesigner hat nämlich leider eine ziemlich eklige, arachnophile Phantasie, weshalb es in der „futuristischen Vision“ (Pressetext) von kerbtierartigen Kutten, libellenhaften Fluggeräten und skorpionischen Raumschiffen nur so wimmelt. Und für alle, denen das noch nicht geschmacklos genug ist, wird manch humanoider Allbewohner mit Hilfe kleiner Kreissägen in Organspenden zerlegt, manch glibbrige Gehirnmasse mal transplantiert, mal zertreten, wird nicht nur der Regimefeind den überaus karnivoren Cluster-Echsen zum Fraß vorgeworfen, sondern auch sonst recht generös gemetzelt.

Obwohl (oder weil) 75 Prozent von „Lexx – The Dark Zone“ als sterile Computeranimation daherkommen, erinnert das gewiß aufwendige Unterfangen letztlich doch nur an Pappmaché- und Blue- Box-Taschenspielereien, wie man sie aus den anspruchslosen Fantasymärchen im Sonntagnachmittagsprogramm kennt. Über das Niveau der „Unendlichen Geschichte II“ jedenfalls kommt diese „Space-Opera“ nicht hinaus, und an das von Star Trek reicht sie nicht heran. Wem jedoch Gene Roddenberrys Universum zu altbacken, zu p.c., zu ironisch ist, hat an der eher dumpfbackigen Witzischkeit und am okkulten Prädestinationswahn dieses Kinderprogramms für Erwachsene bestimmt seine helle Freude. Christoph Schultheis