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Auslandsbesucher für Wohlhabende

■ Wer einen Gast aus Osteuropa oder der Dritten Welt einlädt, soll "freiwillig" Auskunft über seine Finanzlage geben. Kanthers neue Regelung stößt bei Ausländerbeauftragten und Politikern auf Kritik

Berlin (taz) – Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) hat die Hürden für ausländische Besucher weiter angehoben. Wer sich einen Gast aus einem Staat der Dritten Welt oder aus Osteuropa einladen will, muß jetzt seine Bonität nachweisen. Gastgeber müssen den Ausländerbehörden ihren Mietvertrag, Versicherungsverträge und Einkommensbescheinigung vorlegen. Diese Angaben gelten zwar offiziell als „freiwillig“, aber wer sie nicht bringt, hat keine Chance auf die Einreise seines Gastes. Verweigern die deutschen Botschaften aber ein Visum, kann der Antragsteller nicht einmal vor dem Verwaltungsgericht dagegen klagen. Diese Regelung, die die Länderinnenminister ohne Kooperation mit den Ausländerbeauftragten erarbeiteten, haben bislang jedoch noch nicht alle Bundesländer in Kraft gesetzt.

Die Hürden beim Einkommen sind so hoch, daß Normalverdiener keine Chance mehr haben, Gäste aus „Armutsländern“ einzuladen. Einer binationalen Familie aus Sachsen-Anhalt wurde das Einreisevisum für den Vater aus der Ukraine verweigert, obwohl sie über ein Bruttoeinkommen von 8.000 DM verfügt. „Das ist leider kein Einzelfall“, klagt der Landesausländerbeauftragte Günter Piening (Bündnis 90/Grüne). Seit Januar sei in dem rot-grün regierten Land die Regelung in Kraft, und seitdem beschwerten sich immer wieder Bürger darüber. Manche Familien haben in den letzten Jahren Kindern aus Tschernobyl Ferienaufenthalte ermöglicht. „Da sind Freundschaften zwischen Familien entstanden, die jetzt nicht weiter gepflegt werden können. Das versteht keiner.“ Neben Sachsen-Anhalt haben bisher mindestens Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Hessen die Regelung umgesetzt. In Brandenburg würde, so Innenministeriumssprecherin Bettina Cain, zwar das bundeseinheitliche Formular verwendet, die Bonität werde jedoch „mit Fingerspitzengefühl und nur bei begründetem Verdacht“ geprüft. Nach Angaben von Holger Hinte aus dem Büro der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung seien die Länder dazu auch gar nicht verpflichtet. Die Gründe, die Bonitätsprüfung zu verweigern, sind eher pragmatisch. Insbesondere in Regionen mit einem hohen Ausländeranteil wäre der Arbeitsaufwand von den überlasteten Ausländerbehörden nicht ohne Personalaufstockung zu bewältigen. Christian Kayser vom Büro der Berliner Ausländerbeauftragten gibt an, die zentralen Ausländerbehörden in Berlin und Hamburg seien einfach überlastet, so daß die Regelung einen langen Vorlauf benötige. Diese Länder hätten in Bonn beantragt, die Formalitäten nicht die Ausländerbehörde, sondern die Meldestellen abwickeln zu lassen. Das erfordere eine Schulung der Mitarbeiter. Die Möglichkeit des Landes Berlin, diese Regelung nicht anzuwenden, sieht er nicht. „Die deutschen Auslandsvertretungen stellen irgendwann nur noch Visa aus, wenn dieses bundeseinheitliche Formular ausgefüllt ist.“

Der einwanderungspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Cem Özdemir, beklagt eine „übertriebene Schnüffelei“. Sie mache die Einladung ausländischer Verwandter und Freunde „zu einem Privileg der Wohlhabenden“. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz- Jacobsen, spricht von einem doppelten Generalverdacht, der hinter Kanthers Regelung stehe: „Die Besuchten könnten für etwaige Kosten nicht aufkommen, und die Besucher würden im Zweifel nicht wieder ausreisen.“ Einzelne Mißbrauchsfälle aber, so die FDP-Politikerin, könnten eine derartige Verschärfung der Rechtspraxis nicht rechtfertigen. Marina Mai

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