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Krankenhäuser ohne Azubis

■ Pflegeausbilder befürchten Abbau von 1.500 bis 2.000 Plätzen für Auszubildende in den kommenden zwei Jahren. Grund: Permanente Bettenreduzierung seit 1990

Ausbildungsplatzmisere auch in den Krankenhäusern: Den 5.400 offiziellen Ausbildungsplätzen droht nach Ansicht der Landesarbeitsgemeinschaft der Pflegeausbilder in den kommenden zwei Jahren ein Abbau von 1.500 bis 2.000 Plätzen in der Erwachsenenkrankenpflege. „Bereits 1996 und in diesem Jahr haben die Krankenhäuser rund 550 Azubi-Plätze gestrichen“, hat Bernd Budde von der Landesarbeitsgemeinschaft in einer Umfrage der Krankenpflege- Schulen erfahren.

Ein Abbau erfolge meistens durch die Nichtbesetzung von noch offiziell gemeldeten Ausbildungsstellen. Die Stellen würden von den Krankenhausleitungen vakant gelassen und nur teilweise der zuständigen Senatsverwaltung für Gesundheit gemeldet. Sie erscheinen also nicht in der „offiziellen“ Ausbildungsstatistik. Der Grund: der permanente Bettenrückgang seit 1990 um 30 Prozent und der dadurch verminderte Bedarf an Pflegern, so Budde. Allein durch die Fusion der Charité und des Rudolf-Virchow-Krankenhauses seien in den vergangenen drei Jahren 300 Plätze verlorengegangen.

Nach Angaben der Senatsverwaltung hat es in den vergangenen drei Jahren einen Abbau von 175 Ausbildungsplätzen gegeben. Derzeit laufe, so die Sprecherin der Gesundheitsverwaltung, Gabriele Lukas, eine eigene Umfrage in den Krankenhäusern, um konkrete Daten zu erfassen: „Die genaue Auswertung liegt noch nicht vor“, so Lukas weiter.

Verfechter des Abbaus sind die Krankenkassen. Diese finanzieren über die Beiträge der Kassenmitglieder die Ausbildung der Schwestern und Pfleger. Von den Kosten für ein Krankenhausbett – am Tag rund 550 Mark – werden 15 Mark für die Azubi-Ausbildung abgezwackt. „Wir müssen uns fragen, ob die Ausbildung wirklich eine Aufgabe der Krankenkassen ist, oder ob es sich um versicherungsfremde Leistungen handelt“, sagt Henry Kotek, zuständig für Grundsatzfragen bei der AOK. Auch Bernd Budde von der Landesarbeitsgemeinschaft der Pflegeausbilder findet, daß es ein „Anachronismus“ sei, wenn Krankenpflegeberufe auf diese Weise finanziert würden. Würde die theoretische Ausbildung wie bei anderen Lehrlingsberufen auch vom Staat übernommen werden, hat Budde ausgerechnet, könnten die Kassen allein in Berlin 30 Millionen Mark einsparen. Die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen hat der Senatsverwaltung und den Krankenhausleitungen mittlerweile einen Brief geschrieben, in dem sie eine Anpassung der Ausbildungsplätze an die Zielvorgabe der Bettenbedarfsplanung fordert. Geht es nach dem Senat, soll es 1999 nur noch 22.500 Betten geben. Derzeit sind es 27.000.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Bernd Köppl, fordert, daß die Krankenkassen mit der Gesundheitsverwaltung intensive Verhandlungen über die Rettung der Azubi-Stellen beginnen sollten, denn immerhin handele es sich um den größten Ausbildungssektor für qualifizierte Frauenberufe in Berlin. „Es wäre absurd , daß der Senat eine Ausbildungsoffensive propagiert und gleichzeitig im Krankenhausbereich dem Verlust von 1.500 bis 2.000 Ausbildungsplätzen tatenlos zusieht“, so Köppl. Es müsse zwar akzeptiert werden, daß wegen des Bettenabbaus zukünftig weniger Pfleger gebraucht werden. Jedoch müsse nach „qualifikationsnahen neuen Beschäftigungsfeldern“ für Krankenpflegeberufe gesucht werden, beispielsweise im ambulanten Pflegebereich, in dem vielfach ungelernte Arbeitskräfte arbeiteten. Julia Naumann

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