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„Irgendwie sind wir alle Fußgänger“

Die Osterstraße soll verengt werden – zugunsten von Fuß und Rad  ■ Von Heike Haarhoff

Reinhard Buff will sich kurz fassen. Nur einige „Streiflichter“aus seiner „Mängelliste in Sachen Osterstraße“mag der Eimsbüttler Stadtplanungschef dem Publikum im Hamburg Haus präsentieren. Er greift zum Dia. Drängelnde Menschen auf einem Bürgersteig sind da zu sehen. Hätten sie nicht alle Plastiktüten in der Hand und die prallen Schaufenster der Einkaufsmeile Osterstraße zu ihrer Linken – man müßte annehmen, es gebe einen Versorgungsnotstand.

„Wie Sie sehen, ist es hier zu eng.“Klick, nächstes Bild, wieder Menschenmassen. Diesmal dekoriert mit Kinderwagen, ineinander verschlungenen Fahrrädern und Bäumen in Kübeln. „Ähnlich ungeordnete Situationen“finden die Bezirkspolitiker regelmäßig in dem Einkaufszentrum Eimsbüttels vor.

Deshalb vergaben sie 1996 ein Gutachten an die Stadtplanungsbüros Argus sowie Ohrt/von Seggern. Die sollten überlegen, wie die Situation für das Fußvolk entschärft, der Autoverkehr verringert werden könnte, ohne daß das Geschäft der Einzelhändler gefährdet würde. Das Ergebnis wurde am Montag der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die Lösung klingt so einfach wie gut: Weniger Fahrbahn zugunsten von Fuß- und Radweg. Dazu soll die Osterstraße zwischen Heußweg und Schwenckestraße um die Hälfte auf 6,50 Meter verengt werden. Zweispurig wäre die Straße dann immer noch, Ladezonen aber würden verschwinden.

Raunen der rund 60 Geschäftsleute im Saal: Wie soll da noch Ware angeliefert werden? Stadtplaner Buff sieht da kein Problem. Die Ladezonen seien doch heute schon „faktisch abgeschafft durch illegale Schrägparker“. Die Umgestaltung stelle also keine Verschlechterung dar. Im Gegenteil: Die Zahl der legalen Parkplätze werde gar um zwei auf 15 erhöht. Außerdem soll der Iduna-Platz gegenüber Karstadt aufgepeppt werden. Ob diese Ideen allerdings je umgesetzt werden, das hängt von der Baubehörde ab und von der Finanzlage.

Die Geschäftsleute sind plötzlich so abgeneigt nicht mehr; eine Inhaberin fordert gar ein „zentrales Warenverteilsystem“für weniger Anlieferverkehr. Der ewig nörglerischen CDU fällt nur noch ein, daß das Gutachten mit 40.000 Mark „viel zu viel“gekostet habe. Auch die GAL mosert natürlich: Die U-Bahnanbindung sei schlecht, außerdem hätte man gleich die ganze Osterstraße neu planen müssen.

Da springt ein Zuhörer auf: „Nein“, ruft er. Das würde nur noch mehr Zeit kosten. Die Situation für Fußgänger sei aber schon lange „unhaltbar“. Das habe er vor drei Jahren erfahren müssen, als er mit dem Kinderwagen durch die Osterstraße schob. Außer leeren Versprechen und einem weiteren Kind sei ihm seither „nichts, aber auch gar nichts“beschert worden. „Wieviele Kinder soll ich eigentlich noch kriegen“, ruft er erregt. Und dann, leise: „Irgendwie sind wir doch alle Fußgänger.“

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