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Dicke Luft im Ausschuß

■ AfB: „SPD und CDU wollen Vulkan-Schuld vertuschen“/ Grüne auf selber Linie

Notgedrungen saßen Elisabeth Motschmann (CDU), Hermann Kuhn (Grüne), Jens Böhrnsen (SPD) und Ludwig Hettling (AfB) gestern Mittag in dem kleinen Raum 5 der Bürgerschaft dicht nebeneinander. Die Parlamentarier konnten kaum ihre Ellenbogen heben, ohne den Nachbarn zu stören. Doch die Nähe täuschte. Vor der dritten und entscheidenden Runde des Vulkan-Untersuchungsausschuß haben sich die Parlamentarier, die sich seit Oktober des vergangenen Jahres bemühen, die Hintergründe der Pleite des Schiffbaukonzerns aufzuklären, zerstritten. Bis zum 15. Juli soll der letzte Zeuge in Sachen Vulkan gehört sein. Noch vor der Sommerpause will der Ausschuß die Akten schließen. Deshalb sollen die 44 Zeugen an 21 Verhandlungstagen jeweils von morgens um 8.30 bis abends um 20 Uhr vernommen werden. Das hat die Große Koalition gestern gegen die Stimmen der Opposition aus AfB und Grünen durchgesetzt.

Der bevorstehende Sitzungsmarathon treibt dem Ausschußvorsitzenden Hermann Kuhn, die Röte des Zorns ins Gesicht: „Jetzt, wo die Rolle der Großen Koalition untersucht werden soll, wird der Deckel zugeklappt“, schimpfte er gestern auf der Pressekonferenz. Der dichtgedrängte Zeitplan verhindere das gründliches Studium der Akten. Ein „schwerer Fehler, der die Arbeit des Ausschusses schwer beeinträchtige“, so Kuhn. Die AfB schlug in die gleiche Kerbe. „SPD und CDU wollen Vulkan-Schuld vertuschen“, wetterte AfB-Vertreter Ludwig Hettling. „Das ist ein durchsichtiges Manöver, um möglichst schnell und oberflächlich ohne Pressevertreter die Monate, in denen der Vulkan-Untergang besiegelt wurde, abzuhandeln.“

Die Große Koalition war in der Tat von Anfang an gegen den Ausschuß. CDU und SPD hatten allerdings keine Chance, den Ausschuß zu verhindern. Für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses müssen ein Viertel der 100 Bürgerschaftsabgeordneten stimmen. AfB und Grüne hatten 26 Stimmen. Zähneknirschend hoben die Abgeordneten von CDU und SPD deshalb im Mai des vergangenen Jahres für den Ausschuß ihre Hände. Kurz darauf gab es den nächsten Streit: Grüne und AfB wollten zuerst den Zeitraum unmittelbar vor der Pleite des Schiffbaukonzerns und damit auch die Rolle der Großen Koalition untersuchen. Insbesondere die CDU-Senatoren Ulrich Nölle (Finanzen) und Hartmut Perschau (Wirtschaft) hätten sich unter Umständen unangenehme Fragen gefallen lassen müssen. CDU und SPD schrieben dem Ausschuß mit ihren Stimmen allerdings eine andere Chronologie vor. Die Umstände der Vulkan-Pleite und die Rolle der Großen Koalition sollten nicht zuerst, sondern als letztes untersucht werden. Jetzt soll genau diese Phase „im Galopp“(Kuhn) „durchgepeitscht“(Hettling) werden. CDU und SPD verstehen die Kritik der Oposition nicht. „Es ist nicht hinnehmbar, daß Kuhn aus politischen Kalkühl das Verfahren in die Länge zieht“, sagte Motschmann (CDU). „Der Ausschuß soll in keinster Weise behindert werden“, stimmte SPD-Obmann Jens Böhrnsen ein. Doch Kuhn denkt nicht daran aufzugeben: „So schnell lasse ich mich hier nicht unterkriegen.“

kes

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