: Balkanischer Grenzverkehr
Veränderungen, die wie neue Schuhe drücken: Tagebuch einer herbstlichen Reise nach Mazedonien, Albanien, in den Kosovo und die Wojwodina ■ Von Milena Mahon
Ich bin während des Kalten Krieges auf dem Balkan aufgewachsen, in einer Zeit, als die Geographie meines Heimatlandes noch definiert war durch den Kampf der Ideologien. Bulgarien war Rußland und der DDR näher als Griechenland oder Jugoslawien. Geographie war ein politischer Begriff. In der Regel waren Länder, in die wir reisen durften, zu teuer, weil zu weit weg für uns; unsere direkten Nachbarn jedoch waren jenseits des politisch Möglichen.
Jetzt aber ist der Balkan (außer Bosnien) trotz Krieg und anderer Katastrophen offener, und ich konnte einen Teil meiner Heimatregion das erste Mal besuchen. Das Reisen selbst war einfach und ungefährlich. Ich habe die vitale und anziehende Multikultur des Balkans außerordentlich genossen. Am Ende meiner kurzen Reise war ich jedoch auch einigermaßen verwirrt: Was waren nun eigentlich externe, was interne Grenzen? Welche waren geographisch, welche politisch? Was waren ethnische, was sprachliche Grenzen?
Je mehr ich versuchte, mir diese Unterschiede klarzumachen, desto mehr entzogen sie sich. Vage blieben sie, ungreifbar, auch an keinen Ort gebunden. Die Folge waren Unsicherheit und sogar Angst.
In Mazedonien, das sich eine eigene Identität aufzubauen versucht, braucht man als Bulgarin kein Wörterbuch für die Alltagskommunikation. In der serbischen Provinz Kosovo leben zwar vor allem Albaner, aber in den Banken arbeiten nur Serben. In der Wojwodina kommt man mit Ungarisch oder Deutsch aus (und lernt, daß Andy Warhol Ruthene war). Und Albanien war der Ort, an dem ich mein etwas rostig gewordenes Russisch ausprobieren konnte – Erinnerung an eine kurze, gemeinsame Verbindung in der Vergangenheit. Das Gewicht solcher Verschiebungen zeigte sich am deutlichsten an den Grenzen. Schwer legten sie sich auf das Leben der Menschen und drückten sie, wie neue Schuhe drücken.
Meine Reise beginnt in meiner alten Heimatstadt, in Sofia. Der balkanische Internationalismus ist am lebendigsten im Busbahnhof, wo man alle Sprachen gleichzeitig hört und wo die angeschriebenen Reiseziele die Reiserouten nie ganz erklären. Warum fährt eine Albanerin von Sofia nach Thessaloniki, und wo genau steigt sie aus? Sie sieht nicht wie eine Touristin aus. Ein alter Mann, den ich für ihren Vater halte, umarmt sie zum Abschied. Dann fragt er mich in perfektem Bulgarisch nach der Zeit. Jede Reise ist hier eine Reise in die Geschichte des Balkans.
Ich steige in den Bus nach Skopje. Es ist noch früh am Morgen, aber die Sonne verspricht schon jetzt einen heißen Tag. Ein Frühstückspaket ist im Preis enthalten: eine Flasche fader Limonade und eine Waffel – sowas hat man sich erst seit der Marktreform ausgedacht. Manchmal hält der Bus in einem Dorf, wo jemand dem Fahrer ein Ersatzteil, einen Sack Mehl oder eine Tasche mit Geschenken gibt, die er auf der anderen Seite der Grenze abliefern soll.
Die Grenze, auf die wir zufahren, war nicht nur wegen des sowjetisch-jugoslawischen Zerwürfnisses seit 1948 geschlossen, sondern auch wegen der „mazedonischen Frage“. Historisch hat Bulgarien die Existenz einer mazedonischen Nation nie anerkannt; die Antwort des bulgarischen Kommunismus war die Schließung der Grenze hin zu den angeblichen Brüdern.
Sofia tut sich noch immer schwer mit der Existenz einer mazedonischen Nation, hat aber seit den Veränderungen im Balkan den mazedonischen Staat anerkannt. Und die Grenzen sind offen. Die langen winterlichen Tankwagenschlangen aus der Zeit des griechischen Embargos sind verschwunden. Der mazedonische Grenzbeamte fragt Bulgaren und andere Ausländer, ob sie 50 Deutsche Mark bei sich haben – eine billige Einreisegarantie verglichen mit den Summen, die westliche Botschaften für ihre Besuchervisen verlangen. Passagiere aus „Drittländern“, in der Regel Albaner, werden etwas gründlicher befragt, wie auch Roma, deren Staatsbürgerschaft nicht zu zählen scheint.
Der Mann mittleren Alters neben mir ist aus Albanien und spricht etwas Mazedonisch. Aber er kann es nicht schreiben. Während wir in der sich nur langsam vorwärts bewegenden Schlange warten, bittet er mich, seine Einreisepapiere auszufüllen und geht nach draußen, um sich für eine Zigarette zu den anderen Rauchern zu stellen.
Eine weinende Zigeunerin hat nicht das nötige Einreisegeld und wird abgewiesen. „Warum hast du mir nichts gesagt? Ich hätte dir das Geld solange geliehen“, hält der Busfahrer ihr vor. Sie wird es anderntags noch einmal versuchen. Eine Bulgarin beschwert sich über das lange Warten: „Sie machen das nur, um uns zu zeigen, daß sie jetzt auch Macht haben. Das ist der Minderwertigkeitskomplex Mazedoniens!“ Alte Vorurteile sind hartnäckig. Aber es ist zu heiß, und keiner hat Lust, über Politik zu reden.
Nach einem etwas beängstigenden Moment, in dem ich mich in der unübersichtlichen Ankunftshalle des Busbahnhofs verliere, holt mich mein Freund Kim ab. Ich erfahre, daß mein Besuch in Mazedonien nur kurz sein wird. Kim ist einigermaßen bekannt als Schriftsteller, der in drei Sprachen schreibt, Albanisch, Mazedonisch und Serbisch. Ich darf nur bei ihm und seiner Familie übernachten – in dem am Stadtrand gelegenen albanischen Dorf Saraj. Als das Auto von der Hauptstraße auf unbefestigte Seitenstraßen abbiegt, zeigt er weitausholend in die Runde und verkündet: „Von hier an weiß jeder, daß du mein Gast bist. Du bist also absolut sicher, Tag und Nacht – zumindest zur Zeit.“
Alte Männer sitzen zusammen und reden; Kinder spielen hier und da; Frauen sieht man außerhalb der Höfe um die Häuser herum nicht. Klassische ottomanische Häuser sind von Mauern umgeben, und die neueren haben sogar noch höhere und strahlend weiß gekalkte Mauern, wie Festungen. Kim erklärt mir, daß die jugoslawischen Behörden in den achtziger Jahren meinten, daß sich hinter diesen Mauern Albaner versteckten und auf Umsturz sännen, weshalb viele abgerissen wurden. Folgerichtig wurden die neuen Mauern auch aus Demonstrationsgründen gebaut. „Selbst für einen mazedonischen Vogel zu hoch“, bemerke ich. Meine Gastgeber – Kims weitere Verwandtschaft lebt hier auf mehrere Häuser verteilt – sind vorsichtig, aber sie können doch ein befreites Lachen nicht unterdrücken. Die kleinen Babies im Gemeinschaftshof fangen dagegen an zu weinen, wenn ich mit ihren Müttern mazedonisch spreche; sie denken, ich bin die Ärztin. Niemand sonst spricht hier je mazedonisch.
Am Abend sitzen ein paar Männer in einem kleinen Café und diskutieren heftig über die frisch eingetroffene Nachricht, daß Ibrahim Rugova, der albanische Führer des Kosovo, gestorben sei. Keiner weiß Genaues, aber einer von ihnen besteht darauf, es im Radio gehört zu haben. Am nächsten Morgen erfahren wir, wer es wirklich war: der griechische Politiker Andreas Papandreou. Zwar verhält sich Griechenland feindselig zu Mazedonien, aber für einen Albaner hier ist das nicht weiter wichtig. Jeder hat seine eigenen Sorgen. Zumindest Gerüchte reisen ohne Hindernis auf dem Balkan.
Ich mache einen Tagesausflug über die Grenze ins albanische Städtchen Podgradetz. Mein albanischer Führer ist ein junger Mann, der in Skopje Ökonomie studiert. Zur finanziellen Unterstützung seiner Familie tritt er in Restaurants als Sänger auf. Beiläufig erzählt er mir, daß er demnächst an die illegale albanische Universität von Tetovo wechseln wird; der Direktor der Universität von Skopje habe ihm einmal bedeutet, es sei besser, wenn er seinen albanischen Namen aufgäbe und einen mazedonischen annähme. „Ich bin immer ein guter Muslim gewesen“, sagt er stolz, gibt dann aber doch zu, sein Lieblingsgetränk in der Sommerhitze sei Wodka mit Zitrone.
Auf dem Weg machen wir beim berühmten orthodoxen St.-Naum- Kloster am Ohrid-See halt, einem der schönsten Orte des Balkans. Im Süden liegt sehr nahe Albanien – als wäre dieses Symbol mazedonischen Nationalstolzes mit Absicht hier plaziert worden, um die Demarkationslinie noch deutlicher zu machen.
Die Grenze selbst ist nackt und trostlos wie eine Wüstenlandschaft; gelangweilte, bewaffnete Grenzwächter wie aus einem amerikanischen Western bevölkern sie notdürftig. Ich fülle ein Formular zur Einreise aus, und einer fragt, ob er meinen Kuli haben kann.
Enver Hodschas paranoide Betonbunker sind überall. Podgradetz hat 25.000 Einwohner und behauptet von sich, eine sehr viel friedlichere Vergangenheit zu haben als viele andere Orte auf dem Balkan. Ein kleiner Prozentsatz der Einwohner ist mazedonisch und griechisch; bulgarische Nationalisten behaupten, einige seien „Urbulgaren“ aus ottomanischer Zeit, aber ich finde keinen Landsmann.
Podgradetz hat einen Markt. Dort werden bei über 35 Grad Fleischstücke offen verkauft. Ziegelbauten sind unverputzt, die Gesichter der Menschen sind von der Härte des Lebens dunkel geworden. Alles ist hier so arm und jenseits unserer Zeitrechnung, daß ich mich nicht traue, Fotos zu machen. Zwei Frauen, die uns in ihrem eigenen Café bedienen, sind jedoch sehr freundlich. Sie haben ihre albanischen „Brüder“ in Mazedonien besucht, leben selbst aber lieber in Albanien, weil Frauen hier außer Haus arbeiten dürfen.
Ein weiterer staubiger Bus bringt mich von Skopje nach Priština, der Haupstadt des serbischen Kosovo, früher eine der autonomen jugoslawischen Provinzen, heute unter serbischer Militärkontrolle. Hier, in der „Wiege des Serbentums“, kontrolliert ständig die Polizei. Das lange Warten auf heißen Straßen und das Gefühl des Ausgeliefertseins, wenn man in rüdem Ton aufgefordert wird, Taschen und Koffer zu öffnen, erinnert mich an Fernsehbilder vom Krieg in Bosnien und an die Busrouten mit unheimlichen Zielorten.
Ein älterer Mann in einer dicken, schäbigen Winterjacke macht mir besonders Sorgen. Stumm steht er in der Schlange für „Inhaber jugoslawischer Pässe“ und hält mit festem Griff eine durchsichtige Plastiktasche voller langer, hellgrüner Paprika, meiner Lieblingssorte, umklammert. Ich fürchte für ihn. Und warum muß so einer Paprikas durch die Gegend schleppen – einer von vielen balkanischen Bauern, die zum Wandern gezwungen wurden? Die Paprikas lassen ihn noch hilfloser erscheinen. Und warum schleppt er sich überhaupt damit ab: Schließlich gibt es keinen Haushalt auf dem Balkan, der nicht Paprika in Hülle und Fülle hat!
Schließlich kommt inmitten eines staubigen, farblosen Tals Priština in Sicht. Das Zentrum der Stadt ist voller junger Albaner, die im Schatten und inmitten einer Geräuschglocke den letzten internationalen Top-Twenty-Kaffee trinken, während serbische Polizei zwischen den Tischen patrouilliert. Da es für Albaner so gut wie keine Arbeit gibt, haben sie nichts anderes zu tun.
Die Hauptquartiere einiger albanischer Politiker liegen gegenüber dem Bezirksgefängnis, Universität und Klinik sind verlassen. Serbische Flüchtlinge leben in düsteren Betonblocks. Selbst die Stille der albanischen Häuser bietet nur oberflächliche Entspannung. „Wir wissen so gut wie nichts über unsere serbischen Nachbarn. Eigentlich nur, daß sie in ihren Wohnungen die Schuhe nicht ausziehen“, erklärt eine junge Albanerin. „Aber schließlich wissen wir auch nicht, was für eine Zukunft unsere Kinder erwartet.“
Die Schwierigkeiten des Lebens im Kosovo bedeuten jedoch nicht, daß die Menschen weniger an ihrer Heimat hängen als anderswo. Meine Gastgeberin Aferdita, die Frau eines Journalisten, der im parallelen Schulsystem der Albaner, das heißt im Untergrund, englische Literatur studiert, hat gerade eine Einladung für eine Ausstellung für einen albanischen Künstler in Tirana erhalten. „Aber ich bin nicht aus Albanien“, sagt sie. „Ich bin Albanerin aus dem Kosovo, und dies hier ist meine einzige Heimat.“
Auf einer weiteren Rundreise fahren wir an der Grenze zu Albanien entlang. Bisher kenne ich Prizren und seine legendären mystischen Kulte und magischen Orte nur aus der Literatur. Anderthalb Stunden braucht der Bus von Priština aus. Es liegt noch innerhalb des Kosovo, aber sicherheitshalber nehme ich meinen Paß mit. Von den Hügeln aus sieht Prizren mit seinen engen Kopfsteinpflasterstraßen und weitgespannten roten Dächern aus wie Florenz, allerdings mit schlanken Minaretten und den langen Türmen orthodoxer Kirchen als Zugabe. Um die Mischung noch exotischer zu machen, sprechen viele Albaner hier außerdem Türkisch.
Unsere Freunde verabschieden uns mit dem Wunsch, uns das nächste Mal in einem freien und unabhängigen Kosovo begrüßen zu können. Ihr kleines Kind singt „Berisha, Berisha!“ vor sich hin. Die kosovisch-albanische Beziehung verwirrt mich. Die balkanischen Häuser mit ihrer zu Recht gerühmten Gastfreundschaft hinter mir zu lassen macht mir das Herz schwer. Keiner weiß, wie lange ihre Kinder noch in Frieden aufwachsen können.
Schließlich also Prevalatz, hoch in den Bergen, letzter Halt vor Albanien. Es gibt keinen Kontrollpunkt hier, die Landschaft ist trostlos. Ab und zu kommt ein Reiter auf nacktem Pferderücken vorbei, langsam und stolz. Sonst hört man nur noch die Glocken der Ziegen, die hier ungestört in den Hügeln grasen. Die Politik des Kosovo scheint weit weg.
Die öde Busfahrt zur serbischen Hauptstadt trete ich mit großen Erwartungen an. Schließlich hat Belgrad einmal den liberalen jugoslawischen Sozialismus repräsentiert und war außerdem das kulturelle Zentrum der Region. Aber bei meiner Ankunft erinnert mich alles nur an Sofia vor 1989.
Im allzu angemessen „Mosckva“ benannten Hotel erinnere ich mich beim Kaffee und angesichts der mir vertrauten kyrillischen Schrift serbischer Zeitungen an unsere jugendlichen Hoffnungen als bulgarische Literaturstudenten, an unsere Sehnsucht, Teil des Belgrader Milieus zu werden, dazuzugehören (Paris war jenseits aller Träume.) Na ja, vielleicht hatten wir einfach nur eine beschränkte Phantasie, denke ich abschließend beim Zahlen der Rechnung. Folgt der lange Kerl mit der Sonnenbrille mir, oder ist auch das nur meine Phantasie?
Belgrad wirkt desillusioniert und zerrupft. Aber ist immer noch wunderschön am Fluß gelegen. Und es wird an den langen Sommerabenden lebendig. Überall auf den Straßen sind Studenten, als ob ihnen die Stadt gehörte – und einige Monate nach meinem Besuch hier werden sie noch viel entschiedener die Straßen für sich reklamieren. Auf einem Spaziergang die Hauptstraße Knez Mihaila hinunter sagt meine neue Freundin Gordana: „Etwas in mir und in meiner Stadt ist zerbrochen. Aber trotzdem fürchte ich mich nicht vor der Zukunft.“
Im Zug nach Novi Sad, der Hauptstadt der anderen ehemals autonomen serbischen Provinz Wojwodina. Als sollte der Glaube gestärkt werden, daß die Geographie des Balkans auch kulturelle Unterschiede einschließt, ist es in der Wojwodina erstaunlich sauber und bequem. Mein Zug fährt bis zur ungarischen Grenze weiter. Aber man sagt, daß dort, wo die Sava in die Donau (nahe der Wojwodina-Linie) fließt, schon die eigentliche Grenze zwischen dem Balkan und Zentralmitteleuropa liegt.
Die Wojwodina ist ein authentischer Restbestand des Habsburgreiches. Unter ihren Einwohner sind 23 Nationalitäten vertreten. Es gibt katholische, östlich-orthodoxe und unierte (griechisch-katholische) Kirchen. Die Universität hat eine Fakultät für ruthenische Kultur.
Angemessenerweise ist mein Führer hier ein Völkerkundler, der mir erklärt, welche Veränderungen der ethnischen Landschaft mit dem Wegzug der Ungarn und der kürzlich erfolgten Ankunft serbischer Flüchtlinge aus Kroatien und Bosnien einhergegangen sind. „Die Neuankömmlinge bauen im dalmatischen Stil und hören andere Musik“, sagt er. Und bemerkt, daß der Konzertsaal früher eine Synagoge war.
Meine Freundin Sarita stellt mich ihrer Vermieterin Sophie vor. Ihr eigener familiärer Hintergrund ist deutsch, jüdisch und ungarisch; verheiratet ist sie mit einem Serben. „Ich habe meine Kinder so erzogen, daß sie von allem etwas sind. Aber inzwischen frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, ihnen nur eine Identität zu geben, die dann klar ist. Ich weiß nicht, ob ich mich getäuscht habe oder ob die Welt sich nur so verändert hat.“ Ein anderer Freund kommt vorbei und bringt Baklava aus Sarajevo mit, wo seine Frau und die drei Kinder als Flüchtlinge leben. Nusrat ist bosnischer Muslim, der während des Krieges aus Sarajevo nach Novi Sad geflohen ist. Der Rest seiner Familie ist verschwunden, er hofft, sie mit Hilfe von amnesty international wiederzufinden: „Das haben alles nur die Politiker angerichtet. Wir müssen wieder miteinander leben, wo sollten wir sonst hingehen?“
Der Graben, den solche Erfahrungen ziehen, bildet die tiefste Grenze, mit der ich bisher konfrontiert war. „Ich kann für dich in London versuchen, was rauszukriegen“, biete ich ihm zögernd an, und mir ist beim Gedanken an meine Abreise aus der alten Heimat bewußt, daß ich gleichzeitig auch eine Fremde bin. Vielleicht ist mein Versprechen auch nur wieder eines von vielen, die gegenüber dem Balkan schon gebrochen worden sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen