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Trash für tausend Mark

Kunstdrucke verirren sich im dunklen Saal: Um den Umzug der Berlinischen Galerie möglich zu machen, veranstaltete der Landesverband Berliner Galerien eine Benefiz-Auktion  ■ Von Harald Fricke

Als im vergangenen Herbst das „european art forum“ nach Berlin kam, waren einige Galeristen ein wenig verängstigt. Hält die Hauptstadtkunst der Professionalisierung stand? Oder entpuppt sich das Ganze im Vergleich mit Londoner, Pariser oder Kölner Kunsthändlern womöglich als zu mittelständisch und provinziell? Am Ende lief die Sache so ausgezeichnet, daß nun immer mehr Galerien aus Köln und München ihren Umzug nach Mitte planen. Doch solche Konkurrenz mit internationalem Anspruch ist den Alteingesessenen auf Dauer dann auch wieder unheimlich.

Zum Glück gibt es noch Anlässe, bei denen Berlin ganz heimlich und unter sich bleibt – zum Beispiel am Mittwoch abend im Restaurant des Hauses der Kulturen der Welt, als der Berliner Galeristenverband zu seinem jährlichen Frühlingsfest eingeladen hatte. Nebenbei sollte noch Kunst bei einer Benefiz-Auktion für die Berlinische Galerie versteigert werden, um wenigstens den symbolischen Betrag von einer Million Mark für die geplante (und angeblich bis zu 200 Millionen Mark teure) Umsiedlung der Sammlung mit Berliner Kunst in das Postfuhramt an der Oranienburger Straße beisteuern zu können.

Dabei waren die Rahmenbedingungen sogar gut und teuer gewesen: Im Martin-Gropius-Bau gab's tags zuvor die Moderne according to Christos Joachimides und das HdKW hatte mit dem Überblick auf „die anderen Modernen“ aus Afrika, Asien und Lateinamerika gekontert. Folgerichtig warteten selbst bei 30 Mark Eintritt (dem guten Zweck entsprechend ohne Verzehr) noch um Mitternacht an die 600 Gäste teils geduldig, teils betrunken auf den auktionsleitenden Anwalt Peter Raue. Vorher waren sie an 166 wild durcheinandergestapelten Arbeiten vorbeidefiliert, die 90 Galerien und KünstlerInnen gespendet hatten. Der Schreck saß tief: Sollte man tatsächlich die Berlinische Galerie mit drittklassigen Siebdrucken retten wollen?

Offenbar war die ganze Veranstaltung etwas mißverstanden worden: Benefiz bedeutet nicht, daß man sein Lager räumt. Während die beiden Organisatoren Rafael Vostell und Georg Nothelfer sich wenigstens um Namen wie Nam June Paik, Nikki de Saint Phalle, Eduardo Chillida oder Walter Stöhrer bemüht hatten, blieb der weit größere Teil auf dem Niveau der Freien Berliner Kunstausstellung. „Wer gibt mir 300 Mark für diese Arbeit?“ fragte Raue schon zu Beginn leicht verlegen und hielt das DIN A4 große Aquarell eines gewissen Patrick Pilsl hoch, der sich über die Ulmer Galerie Holm nach Berlin verirrt hatte. Und plötzlich war es Nothelfer selbst, der den Zuschlag für das nur schwer erkennbare „Schlechtwetterflugzeug“ bekam.

Ob Bernard Schulzes Radierung zu 700 Mark oder Lothar Böhmes getuschter Akt für einen Tausender – die Preise entsprachen sowieso nicht der Nachfrage. Man kicherte, amüsierte sich über den Berliner Trash und steigerte im halbdunklen Saal ein bißchen mit. Mal war Michael Wewerka mit einem Handzeichen an der Reihe, mal blieb ein frischer Günther-Uecker-Druck liegen. Eher schon gab es für Ali Kepeneks Foto-Porträt von Katharina Thalbach Applaus oder für Jeanloup Sieffs „Corset“ (1962 !), das ganz rasch von 800 auf grandiose 4.300 Mark hochschnellte. So ist das eben mit Fotografie, auch in einer Malerstadt wie Berlin.

„Naja, wenn se denn weggehn“, meinte eine Künstlerin am Nebentisch, und war doch traurig darüber, das sich niemand so recht um die Qualität scherte. Vermutlich hatte sie selbst eine Arbeit gespendet. Kurz nach halb eins kamen die ersten 10.000 Mark zusammen, und gegen halb drei konnte ohnehin keiner mehr zählen. Der Wille war gut, die Kunst eher schlecht. Alle Arbeiten, die nicht versteigert werden konnten, gingen übrigens als Geschenke in den Besitz der Berlinischen Galerie über. Aber die hat ja bald keine Räume mehr.

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