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Keiner weiß, was der todkranke Mobutu plant

■ Verhandlungen in Gabun sollen die Modalitäten der Machtübergabe in Zaire klären. Kämpfe zwischen Rebellen und Armee 180 Kilometer vor Kinshasa

Es war ein Abschied mit Stil. Zwölf Limousinen, drei Jeeps mit Maschinengewehren auf dem Dach, eine Batterie Luftabwehrraketen, eine ungezählte Menge Soldaten und Generäle und eine Boeing 727 wurden auf dem Flughafen von Kinshasas aufgeboten, um Zaires Präsident Mobutu am Mittwoch außer Landes zu schaffen. Wenig später landete der todkranke Marschall auf dem Flughafen von Libreville, der Hauptstadt Gabuns, wo er nach Augenzeugenberichten mit großen Schwierigkeiten aus dem Flugzeug stieg und sich sofort in den Palast seines Freundes, des Präsidenten Gabuns, Omar Bongo, begab. So begann das auf mehrere Tage angesetzte Gipfeltreffen der Staatschefs von Gabun, Kamerun, Kongo und Zentralafrikanischer Republik über die Lage in Zaire ohne den Präsidenten von Zaire. Mobutu, hieß es, sei „müde“.

Ob das tatsächlich Mobutus letzter Gang ins Exil war, blieb gestern völlig offen. Nach entsprechenden Gerüchten am Dienstag und Mittwoch beeilten sich gestern Diplomaten von den USA bis Südafrika, das alles als reine Spekulation abzutun. „Wir haben kein Signal bekommen, daß Mobutu sich entschieden hätte, nicht nach Zaire zurückzukehren“, sagte Michael McCurry, Sprecher des Weißen Hauses. Aus Mobutus Umfeld verlautete, die Rückkehr des Präsidenten am heutigen Freitag stünde fest. Ebenso fest steht jedoch, daß es bei den diplomatischen Bemühungen darum geht, die einvernehmliche Machtübergabe von Mobutu an AFDL-Rebellenführer Kabila zu arrangieren und damit die drohende Schlacht um Kinshasa zu verhindern. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit“, sagte Nicholas Burns, Sprecher des US- Außenministeriums. Der US-Sondergesandte Bill Richardson ist inzwischen nach Paris gereist, um Frankreich – das mit Mobutus Abtritt einen Einflußverlust in Afrika fürchtet – in den Prozeß des Machtwechsels einzubinden. Die US-französischen Beziehungen waren am Wochenende durch US- Presseberichte über eine französische Geheimoperation zur Unterstützung Mobutus zu Jahresbeginn getrübt worden.

Die Reste des Mobutu-Regimes versuchen unterdessen verzweifelt zu beweisen, daß es noch etwas zu verhandeln gibt. Berichte über Massaker in der Stadt Kenge, etwa 180 Kilometer östlich von Kinshasa, machen deutlich, daß Regierungstruppen hier noch Widerstand leisten – wenn auch vergeblich. 200 Zivilisten, 100 Regierungssoldaten und 15 AFDL-Soldaten sollen nach Angaben von „Ärzte ohne Grenzen“ in den letzten Tagen bei heftigen Kämpfen um die 150.000 Einwohner zählende Stadt gestorben sein. Berichten zufolge massakrierte die fliehende Regierungsarmee einen ganzen Kirchenchor.

Kenge ist strategisch wichtig: Es liegt an der von Ost nach West führenden Hauptstraße nach Kinshasa. In 20 Kilometern Entfernung kreuzt diese eine weitere Straße, die den Norden und Süden des noch von der Regierung gehaltenen Teils Zaires verbindet – und damit die anderen Gegenden, in denen die AFDL auf dem Vormarsch ist. Die Straße nach Norden führt nach Bandundu am Kasai-Fluß, das die Rebellen jetzt erobert haben und von dem aus es ein leichtes ist, Truppen und Nachschub auf dem Wasserweg Richtung Kinshasa zu schicken.

Weniger strategisch als symbolisch bedeutsam ist der Fall von Gbadolite an der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik an die Rebellen. Gbadolite ist Mobutus Geburtsdorf und bevorzugter Rückzugsort, wo er bislang ungestört von seinen Landsleuten in seiner prächtigen Urwaldresidenz wohnen konnte. Noch etwas in Gbadolite dürfte die Tutsi unter den Rebellen besonders interessieren: Das Grab von Mobutus Freund Juvénal Habyarimana, 1994 ermordeter Hutu-Präsident von Ruanda, unter dessen letzten Herrschaftsjahren der Völkermord an den ruandischen Tutsi vorbereitet wurde. Dominic Johnson

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