■ Normalzeit: Eine prima Promi-Parade in petto
Wenn der Mai gekommen ist, kommen auch die Verwandten – von meiner Freundin Dorothee zum Beispiel. Normalerweise geht man mit ihnen zu den „Wannseeterrassen“. Heuer war „Tante Gertrud“ jedoch in Begleitung ihrer Freundin Fräulein Winckelmann und deren früherer Arbeitskollegin Elli erschienen – und dafür wurde ein regelrechtes Programm zusammengestellt, beginnend mit einem kleinen Imbiß im Bovril.
Am Nebentisch saßen – zufällig – Loriot und seine Partnerin Evelyn Hamann. Sie hatten auch noch ausgerechnet ein Nudelgericht bestellt, wie wir dann mitbekamen. Anschließend ging es auf einen Kaffee ins Pasternak. Dort saß Günter Grass – mit Pfeife im Mund, an den Lippen einer gezügelt-mondänen TV-Journalistin hängend, deren Namen Fräulein Winckelmann partout nicht einfallen wollte, was sie vorübergehend ganz nervös machte.
Bei einem anschließenden Spaziergang durch den Tiergarten sahen wir in einem Ausflugslokal Otto sitzen. Der Besuch aus Westdeutschland war begeistert: „Bei euch ist ja was los!“ Später lotste ich die westfälische Frauengruppe noch zu Würstchen mit Sauerkraut ins Diener am Savignyplatz.
Dort saß Katharina Thalbach in der Ecke: schon leicht vom Alkohol derangiert und wie abwesend, so daß die drei Damen sich die berühmte Ost-Schauspielerin genau anschauen konnten. Diese nickte langsam ein und stieß irgendwann ihr leeres Glas um. „Nicht schlecht!“ murmelte Fräulein Winckelmann.
Wir wechselten das Lokal – und gingen auf die andere Straßenseite ins Terzo Mondo. Der griechische Wirt – „sieht ja genauso aus wie der aus der ,Lindenstraße‘“, flüsterte Elli fast atemlos. Gegen Mitternacht war der Besuch aus Westdeutschland noch immer derart aufgekratzt, daß er nicht ins Hotel wollte, so daß wir noch einen kleinen Bummel durch „unseren Kiez“ – am Görlitzer Bahnhof – mit ihm unternahmen.
Dort lief uns prompt der Jungstar Meret Becker über den Weg, wahrscheinlich unterwegs in den Club 39. Die drei älteren Damen erkannten sie jedoch nicht, außerdem waren sie wegen der vielen unbekannten Ausländer auch etwas unaufmerksam geworden. Wir bestellten ihnen deswegen bald ein Taxi, das sie ins Hotel brachte. Am nächsten Morgen wollten die drei sowieso „ganz zeitig“ zurück nach Hause fahren. Aber bereits am Abend meldete sich „Tante Gertrud“ telefonisch wieder in Berlin, um sich für das schöne Hauptstadtprogramm zu bedanken und besonders dafür, daß ihre Nenn-Nichte keine Kosten und Mühen gescheut hatte, um überall auf dem Weg „Doppelgänger von Prominenten“ zu plazieren.
Sie wußte, daß Dorothee unlängst mit mir eine Reportage über die „Look-Alike-Agentur“ von Rosemarie Fieting aus dem Märkischen Viertel gemacht hatte – und hielt deswegen das ganze für ein Nachspiel dieser Auftragsarbeit: ihr sowie ihren Freundinnen zu Ehren. – Dabei klang sie so entschieden dankbar und war sich so sicher, daß ein Widerspruch keine Chance hatte. Wir unterließen es dann auch. Helmut Höge
wird fortgesetzt
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