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Unis zu Kündigungen zwingen

■ Personalräte befürchten "eine Welle betriebsbedingter Kündigungen" an den Hochschulen. Uni-Verträge lassen keine Wahl. Testfall für den Landesdienst?

Die FDP fordert es lauthals. Die Personalräte befürchten es: An den Hochschulen drohen Kündigungen im großen Stil. 3.000 Stellen fallen nach Berechnungen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in den nächsten Jahren an den 14 Fachhochschulen und Unis weg. Die akademischen Anstalten können diesen Stellenabbau jedoch durch das normale altersbedingte Ausscheiden des Personals nicht schaffen. Daher sind sie, durch die Hochschulverträge an den Rand der Zahlungsunfähigkeit getrieben, gezwungen, ihre Beschäftigten direkt abzubauen. Damit wird ein Mittel hoffähig, das lange verpönt war. Kündigungen waren im öffentlichen Dienst bisher die Ausnahme.

„Da verweigere ich mich – erst mal“, sagte der Präsident der Technischen Universität, Hans-Jürgen Ewers. Aus den Leitungsstäben der anderen Hochschulen kommt die gleiche Botschaft. „Kündigungen sind bestenfalls die Ausnahme“, meinte Andreas Kreßler, Präsidialamtsleiter der Humboldt- Uni, „aber wir können das in letzter Konsequenz auch nicht ausschließen.“ Gewerkschaften und Personalräte kritisieren, daß das Land die Hochschulen als Tabubrecher mißbraucht.

Tatsächlich unterbreitete der für die Beschäftigten des Landes zuständige Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) gestern sein „Angebot zur Beschäftigungssicherung“ ausdrücklich nicht den Hochschulen. „Kernstück des Angebots“, heißt es in einer Mitteilung, „ist der grundsätzliche Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen im unmittelbaren Landesdienst.“ Unis, Krankenhäuser und Anstalten des öffentlichen Rechts zählen dazu nicht.

Wie berichtet, hat der Senat den Hochschulen in einem Vertrag finanzielle Planungssicherheit für die nächsten Jahre angeboten. Gleichzeitig verordnete er aber scharfe Einsparungen. Die Verträge werden nun sukzessive unterzeichnet. Wie die Unis mit den Kürzungen im Personalbereich zurechtkommen, ist ihre Sache. „Im Jahr 2000 haben wir keine Wissenschaftlichen MitarbeiteInnen mehr“, schätzte Hans-Jürgen Ewers. Um dem zuvorzukommen, so Ewers, könnten Kündigungen die Ultima ratio, der letzte Ausweg, sein.

„Wir erwarten eine neue Welle betriebsbedingter Kündigungen“, lautet die Prognose des Personalrats der Humboldt-Uni (HU), Rainer Hansel. An der HU wird das Mittel der betriebsbedingten Kündigung seit dem Mauerfall praktiziert. Nach der Wende waren Entlassungen bis Ende 1993 aufgrund von Sonderregelungen des Einigungsvertrages möglich. Hansel und seine Personalratskollegen wollen nun einen Kuratoriumsbeschluß herbeiführen, der Kündigungen ausschließt. Sie glauben, daß Personalabbau auch durch natürliche Fluktuation und Teilzeitregelungen möglich ist. Das Problem: Einen Verzicht auf Kündigungen beschloß die HU bereits 1995 – aber die Wissenschaftsverwaltung hat ihn schlicht aufgehoben. Die HU soll offenbar als Testfeld für das Prinzip „hire and fire“ herhalten. Christian Füller

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