: Grüne Förderbänder
Das Ruhrgebiet, einst Synonym für Luftverpestung und Maloche, wandelt sich zum Freizeitpark ■ Von Elke Backert
Weiße Wolken über der Ruhr? Die Schlote stehen noch, doch es steigt kein schwarzer Rauch auf. Von 150 Zechen sind noch zwölf in Betrieb. Die anderen wurden stillgelegt. Sie sollen die Basis bilden für den „größten Industrietourismus weltweit“. Wolfgang Ebert, der Leiter der Deutschen Gesellschaft für Industriekultur, ist fasziniert vom eigenen Projekt, das im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA) 1999 fertiggestellt sein soll. So entsteht aus der 200 Hektar großen Brache des Montanreviers in Duisburg-Nord ein Landschaftspark neuen Typs mit Erlebnisgärten und Biotopen. In diese Landschaften sind die Hochöfen als Kommunikationszentren integriert – „ein paar baupolizeiliche Auflagen wie ein runder Handlauf an der Treppe zum Aussichtsturm und 5.000 Mark Haftpflichtversicherung im Jahr, das war's dann auch schon.“
Auf den Förderbändern wuchern Moose und Farne, zwischen den Halden Birken. Die ehemalige Gießhalle ist für Open-air-Klassik ausgebaut. Das Dampfgebläsehaus im neoromanischen Stil mit einem Fußboden aus silberglitzerndem Gitterrost und ebensolchen Sitzen versetzt einen in eine moderne Kathedrale. Wo es „nach Menschen riecht“ (Heinrich Böll), im Ballungsraum Ruhrgebiet, von der Lippe im Norden, der Ruhr im Süden, den Städten Hamm und Unna im Osten und den Ebenen westlich des Niederrheins im Westen begrenzt, menschelt es nach der Schließung der „Thyssen Stahl AG“ im Freizeitpark. Man hätte die rostigen Industriegiganten abreißen können, aber man verspricht sich trotz Erhaltungsaufwand von jährlich rund 1,5 Millionen Mark neue Arbeitsplätze; etwa 20.000 gingen durch die Schließung der Hütten verloren. Aber ein Doppelbett und acht Restauranttische, so Ebert, brächten je eine neue Arbeitsstelle. Ein Tourist von außerhalb hinterlasse am Tag 202 Mark, einer aus dem Ruhrpott 57 Mark.
Die Zeche Zollverein Schacht 12 in Essen nutzt die Hallen des Industriedenkmals ebenfalls für Kunst und Kultur, Kongresse und Workshops. Alle, die gern in künstlerischem Schickeria-Ambiente essen, sind im durchgestylten „Casino“ bestens aufgehoben.
Rund 600 Neugierige besuchen Tag für Tag den 110 Meter hohen und in ein Museum für wechselnde Ausstellungen verwandelten Gasometer in Oberhausen aus den zwanziger Jahren. Das Rosettenfenster in der Kuppel verfehlt seine sakrale Wirkung nicht. Der gläserne Lift aufs Dach erlaubt Ausblicke auf Emscher, Rhein-Herne- Kanal und das neue „Centro“ mit Freizeitpark und Konsumtempel.
Was steht besser in Kontrast mit der eisernen Industriearchitektur und den schlichten Arbeitersiedlungen als die weiße Sandsteinvilla Hügel der Familie Krupp im gleichnamigen Park in Essen? 9.100 Quadratmeter Wohnfläche, ein Spiegelsaal nach Versailler Vorbild, der Teppich ein Geschenk des verstorbenen Schahs von Persien, das Wohnzimmer so groß wie eine Bahnhofshalle, edelste Gobelins und... Mehr wird nicht gezeigt.
In Gelsenkirchen auf der Zeche Nordstern 1/2, wo bis 1993 Kohle gefördert wurde, blühen seit dem 19. April Blumen, Sträucher und Bäume. 170 Tage lang, bis zum 5. Oktober, findet auf dem 100 Hektar großen Gelände die Bundesgartenschau 97 statt. Dann schwebt die Panoramabahn nicht nur über ein Meer von Düften, sie fährt auch durch historische Zechengebäude und über eine Halde.
Bundesgartenschau (Buga) 97, Nordsternstr. 1, 45899 Gelsenkirchen, Tel.: 0209-9516-666. Erwachsene 16 DM, Kinder (über 1,10 Meter) 9 DM, Familienkarte 35 DM
Landschaftspark Duisburg-Nord, Tel.: 0203-420151. Führungen an Wochenenden und Feiertagen um 14 Uhr 5 DM, ermäßigt 3 DM
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