: Erst mal ein Nutella-Brot!
■ Knietief praxisbezogen: Funny van Dannen, der Gute, singt auf ein neues über Mohnkuchen, Mode und Sexualität
Der prinzipiellen Songfähigkeit des Alltags steht spätestens seit der Studentenrevolte nichts mehr im Wege, aber ein Lied über den Eisprung? Dabei: Ist der nicht auch ganz schön wichtig? Für Mensch, Tier, Onto- und Phylogenese? Ja, da muß doch auch mal einer drüber nachdenken!
Weil alle sich dafür zu gut sind, hat mal wieder Funny van Dannen den Job besorgt. 22 Lieder über Mohnkuchen, Mode und Sexualität finden sich auf seiner schlicht „Info3“ betitelten dritten CD, und wer gedacht hat, die Abnutzung des Novelty-Effekts würde ein dauerhaftes Wohlgefallen am van Dannenschen Schaffen beeinträchtigen, muß sich nach Anhörung dieser knietief praxisbezogenen Stegreifdichtungen ein wenig schämen für seine Kleingläubigkeit. Funny füllt nämlich die ewig gleiche Brotbeutlermelodie auf ein neues mit überraschend zeitgemäßen Inhalten. Vom Geschlechtlichen wird munter begonnen und vorm Gentechnologischen nicht halt gemacht. Auch vermögen die Lieder Trost zu spenden. Schaut her, sagt Funny uns, seht die Sache mal so! Verbindet alles mit allem! Lest die Zukunft aus Kreuzworträtseln! Und nur nicht ins Bockshorn jagen lassen!
Auf die zutiefst humanistische Grundeinstellung dieses Schaffens ist bereits wiederholt hingewiesen worden, weniger vielleicht auf seinen intellektuellen Gehalt. Van Dannen, der gleichzeitig noch Maler und Kurzgeschichtenerfinder ist, gelangt auf den ihm eigenen Umwegen zu Fragestellungen, die solchen der Systemtheorie („Heute gibt es viele Szenen / Niemand muß sich für was schämen“), Verhaltensforschung („Arbeiterkinderdenkmal“), Ornithologie und angewandten Ethik nicht unähnlich sind. Im Elfenbeinturm lebt dieser Künstler nicht! Vielmehr kennt er sich aus mit den heutigen modernen Geschmacksbildungen („Sie fragte mich, als er pissen ging: Sag mal, ist das Easy Listening?“), und in „Das Böse & Das Gute“ nennt Funny ohne Wenn und Aber Roß und Reiter.
Freilich sollte man diesen zarten Gebilden nicht zuviel Sinn aufbürden, sonst klammern sie sich ängstlich an ihren Schöpfer, der mit drei Kindern, zwei Rennmäusen, einer Frau und diversen Wellensittichen in Kreuzberg lebt und arbeitet, wie man so sagt. Geduld, Leute, Geduld! – ist hier auch eine Botschaft. Eßt erst mal ein Nutella-Brot! Duscht drüber! Für Streber und Songquäler gilt, was Funny im sozialkritischen Titel „Schlecht informiert“ voraussieht: „Wer Rasen sät, wird Mäher ernten.“ Thomas Groß
Funny van Dannen: „Info 3“ (Trikont)
Tour im Mai: 9.5. Zürich, 10.5. Freiburg, 11.5. Heidelberg, 31.5. Wolfhagen
Eine Auswahl von Kurzgeschichten van Dannens ist unter dem Titel „Der Tag, als Rosie kam“ im Antje Kunstmann Verlag wiederaufgelegt worden
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