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Auswärtiges Amt. Wozu?

■ Klaus Kinkels jüngster Staatsbesuch in Sarajevo

Was sich vor und während des Besuchs unseres Außenministers in Sarajevo abspielte, wirft die Frage auf: „Brauchen wir ein Auswärtiges Amt?“

Ökonomische Belange werden vom Bundeskanzler und seiner Unternehmer-Entourage wahrgenommen. Was von den Goethe-Instituten übrigbleibt, kümmert sich um die Kultur. Um Sicherheitsfragen sind die Fachministerien und zahlreiche internationale Gremien bemüht. Sache der Diplomaten wäre es eigentlich, von ihren berufsspezifischen Fertigkeiten Gebrauch zu machen. Das setzt altmodische Tugenden voraus wie Takt, Diskretion, Einfühlung in die berechtigten Interessen der Partner und einen Atem, der es erlaubt, langfristige Ziele der Politik durchzusetzen. Im Fall Bosnien-Herzegowinas: die Stabilisierung eines demokratisch verfaßten, multinationalen und multireligiösen Gemeinwesens.

Von all dem keine Spur, weder bei der Vorbereitung noch bei dem Besuch in Sarajevo selbst. Kinkels humanitäres Engagement in Ehren und nichts gegen seine Kritik an der Verwaltungspraxis der Innenminister der Länder (den des Bundes nicht zu vergessen!) in Sachen „Rückführung“ der bosnischen Bürgerkriegsflüchtlinge. Aber es ist vollkommen unzulässig, diesen Streit auf zwischenstaatliche Beziehungen zu transponieren, noch dazu, wenn es sich bei dem Partner um einen so ungefestigten, so sehr entschlossener und einheitlicher Hilfe bedürftigen Staat handelt wie Bosnien-Herzegowina. Seit wann haben deutsche Innenminister etwas auf Treffen wie dem in Sarajevo zu suchen? War es nicht schon schädlich, Herrn Kanther einzuladen? Und ist es der Verständigung zwischen zwei souveränen Staaten förderlich, wenn Klaus Kinkel bei laufender Kamera dem bosnischen Staatspräsidium die Grundsätze der „Rückführung“ erläutert?

Eckart Kehr hat die Außenbeziehungen des Wilhelminischen Reiches einmal unter der Überschrift „Primat der Innenpolitik“ zusammengefaßt und kritisiert. Das Treffen in Sarajevo könnte als späte Illustration der These des großen Historikers dienen. Klaus Kinkel hält sich zugute, bei Verhandlungen kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Aber der Außenminister ist kein Aktivist einer Bürgerinitiative. Auch Stil und Methode können die Politik ruinieren. Die Reise wäre besser unterblieben. Christian Semler

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