: Atom-Solo spaltet norddeutsche SPD
Hamburg unterstützt Schröders Energie-Konsens, Kiel fordert den Ausstieg ■ Von Marco Carini und Achim Fischer
Der Konflikt ist offen ausgebrochen. Nachdem die SPD-Oberen aller Länder sich tagelang zu dem Energiekonsens-Konzept ihres niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder ausgeschwiegen haben, wagt sich der schleswig-holsteinische Energieminister Claus Möller (SPD) als erster aus der Deckung. Gegenüber der taz machte Möller erstmals deutlich, was er von den Plänen des Möchtegern-Kanzlerkandidaten hält: rein gar nichts. Hamburgs Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD) dagegen möchte von einem Schröder-Solo nichts hören: „Wieso Alleingang? Wir sind doch schon zu zweit“, versprach er dem Hannoveraner Landesfürsten gestern Gefolgschaft.
Kiels Energieminister Möller erteilte dem Schröder-Vorstoß hingegen eine Abfuhr: „In einen Energiekonsens gehört eine Verabredung zum Ausstieg und nicht die Verabredung neuer Reaktorlinien.“Auch eine weitgehende Bestandsgarantie für die laufenden Atomanlagen, die Niedersachsens Ministerpräsident den Energieunternehmen gerne anbieten würde, kommt für ihn nicht in Frage: „Das Atomgesetz und die höchstrichterliche Rechtsprechung gewähren unter bestimmten Voraussetzungen Bestandsschutz für bestehende Atomanlagen. Was darüber hinausgeht, lehne ich ab.“
Statt dessen will Möller ein klares Ausstiegsszenario: „Als konkrete Schritte fordert Schleswig-Holstein einen Zeitplan für das Abschalten bestehender AKWs, insbesondere der Altanlagen Brunsbüttel, Stade, Biblis A und Obrigheim.“Einig ist sich Möller mit Schröder nur in einem einzigen Punkt: „Die Zwischenlagerung muß regional gerechter verteilt werden auf Gorleben, Ahaus und Süddeutschland.“
Die Kieler Breitseite gegen Schröder hat Gewicht. Denn des Hannoveraners Drohung, seinen Energiekonsens notfalls an der SPD vorbei im Alleingang mit dem Bund durchzusetzen, haben die Bonner Regierenden bereits eine deutliche Absage erteilt. Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) erklärte, sie poche auf Vereinbarungen „mit der gesamten SPD“.
Auf einen Verbündeten aber kann Solo-Schröder sicher zählen: den Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD). „Ich unterstütze Schröder“, sagte Vahrenholt gestern. Er möchte „auf jeden Fall einen Entsorgungskonsens haben.“Seine Argumentation: „Wer die direkte Endlagerung über die Zwischenlagerung erschwert, drängt die Stromwirtschaft zurück in die Wiederaufarbeitung. Die Folge ist neues Plutonium.“Dadurch werde der Ausstieg verzögert, da Plutonium wiederum in Atommeilern verbrannt werden muß.
Auch an Schröders Vorschlag, der Industrie eine Pauschal-Genehmigung für eine neue AKW-Generation zu erteilen, stört sich Vahrenholt nicht. „Wenn Siemens meint, einen neuen Reaktortyp entwickeln zu müssen, dann sollen sie das machen. Aber dieser Reaktor wird nie in Deutschland betrieben werden.“
Eine Absage erteilt er, der zugleich Aufsichtsratschef der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) ist, Möllers Forderung nach dem Atom-Ausstieg. Denn: „Es ist sicher, daß ein politischer Konsens über den Ausstieg aus der Atomenergie nicht erreichbar ist“.
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