: Ermittlungen gegen Finanzsenator Nölle
■ Aufsichtsamt für den Wertpapierhandel prüft Anzeige wegen Weitergabe von „Insiderinformationen“
In Frankfurt am Main laufen Ermittlungen gegen den Bremer Finanzsenator. Das Bundesaufsichts-amt für den Wertpapierhandel prüft, ob es in absehbarer Zeit eine Strafanzeige gegen den Ex-Sparkassenvorstand und NF-Bank-Mitbesitzer Ulrich Nölle geben wird. Das bestätigte gestern der Sprecher des Amtes gegenüber der taz. Der Verdacht: Unerlaubte Weitergabe von Insiderinformationen über den Vulkan Verbund, die Ende April zu einem gigantischen Kurssprung der Vulkan-Aktie an den Börsen geführt hatte. „Ein stinknormaler Prüfvorgang“, kommentierte gestern Nölle-Sprecher Thomas Diehl. Das Amt prüfe nicht gegen Nölle, sondern allgemein in Sachen Kurssprung.
Allerdings besteht da ein beweisbar enger Zusammenhang. In der letzten April-Woche waren schon Gerüchte durch die Börse geschwirrt: Es gebe große Unternehmen, die an der Übernahme des Vulkan-Verbundes interessiert seien. Gerücht genug für einige Spekulanten, den Vulkan-Kurs um einige Pfennige auf 2,70 Mark hochzutreiben. „Der Vulkan, das ist eine Zockeraktie“, heißt es in Börsenkreisen. Die Zocker wurden bedient – ausgerechnet am Biertisch. Am Donnerstag, 24.4., nämlich feierte Beck's Bockbier-Anstich, wie immer mit reichlich Prominenz. Mit von der Partie: Nölle. Eines der Gesprächsthemen waren die Spekulationen um den Vulkan. Und das veranlaßte einige Journalisten, doch mal bei Nölle nachzufragen – und der bestätigte prompt alle Gerüchte, beispielsweise gegenüber dem Handelsblatt. „Ein deutsches Industrieunternehmen prüft derzeit, ob es den ehemals vielverzweigten Konzern übernehmen will. Wir stehen am Beginn von Verhandlungen“, wurde Nölle zitiert. Nicht einmal Vulkan-Konkursverwalter Jobst Wellensiek wußte von den Interessenten.
Damit hatte der Finanzsenator die Vulkan-Kursrakete gezündet. Allerdings mit Verzögerung. Die Bestätigung der möglichen Übernahme des Konkurs-Konzerns konnte nicht mehr in der Freitags-Zeitungen untergebracht werden. Vorerst wußte nur der Beck's-Biertisch-Kreis von den zu erwartenden Kursgewinnen – und das nutzten offensichtlich einige Aktien-Junkies aus. Am Freitag machte der Kurs einen ersten Hüpfer von 2,70 auf 3,45 Mark. Am Samstag, 26.4. stand die Nölle-Information im Weser Kurier, am Sonntag in der Welt am Sonntag, am Montag im Handelsblatt – ein goldener Montag für Spekulanten. Der Kurs zog bis auf 9,90 Mark davon. Bei fast 200 Prozent Spekulationsgewinn hatten dann am Dienstag einige genug. Der Kurs sackte auf unter sechs Mark.
Den enormen Kurssprung und die Zeitungsmeldungen hatte das Frankfurter Aufsichtsamt für den Wertpapierhandel schon Ende April „sehr interessant“gefunden. Seitdem ermittelt das Amt, ob dieser Kurssprung möglicherweise illegal zustande gekommen ist – durch Weitergabe von „Insiderinformationen“. Nach dem Wertpapierhandelsgesetz dürfen Aktienkurs-relevante interne Informationen nicht an Dritte weitergegeben werden. Wer es dennoch tut, macht sich strafbar. Strafmaß: Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft.
„Wir prüfen jetzt, ob wir eine Strafanzeige stellen“, sagte gestern Jürgen Oberfrank, Sprecher des Aufsichtsamtes, gegenüber dar taz. Alle Beteiligten würden um Stellungnahmen gebeten, es könne noch vier Wochen dauern, bis ein Ergebnis vorliege. „Das machen wir nicht leichtfertig.“ J.G.
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