■ Vorschlag: "Gewaltansichten". Eine Ausstellung im Willy-Brandt-Haus
Vorschlag
„Gewaltansichten“. Eine Ausstellung im Willy-Brandt-Haus
Fast erinnern die Sensen von Paul Pfarr an ein Getreidefeld oder an ein wogendes Meer. Hunderte von Sensen, die in Reih' und Glied auf dreibeinigen Metallständern stehen und ihre geschweiften Spitzen in die Luft recken. Metallisch, unruhig, aggressiv. Dahinter hängt das 240 * 190 cm große Bild eines getöteten Mädchens – „Wächterlied“ von Heike Ruschmeyer. Mit ausgebreiteten Beinen liegt das Kind da, den Kopf zur Seite gesunken, rote Bahnen fließen über Gesicht und Körper. Auch die drei großen Köpfe von Heike Ruschmeyer, gleich am Anfang der Ausstellung, zeigen, wie alle Bilder der Künstlerin, gewaltsam Getötete. Zeit- und geschichtslos lassen sie das Schreckliche noch ahnen und scheinen unter den geschlossenen Augenlidern, wie der Titel besagt, ihren inneren „Monolog“ zu führen. Wolf Kahlens unfixierte Fotografien von den Galapagosinseln einen Stock höher beschwören in steter Veränderung apokalyptisch das Ende unserer Zivilisation. Dunkle Bilder nach dem Tag X. Davor liegt mit Fotoentwickler getränktes Sägemehl auf dem Holzboden und nimmt immer wieder neue Farben an: „Ollantaytambo oder Darwins Sache“ hat der Documenta-Künstler diese Arbeit genannt.
„Gewaltansichten“ heißt die Ausstellung im Willy-Brandt-Haus, das sich seit seiner Eröffnung vor einem Jahr als Ausstellungsort schon einmal vorgestellt hat. Marion Schmid und Udo Klückmann, der selbst mit Werken vertreten ist, haben gemeinsam die Konzeption entwickelt und die Künstler ausgesucht. An dem Projekt fällt auf, daß sich die Ideengeber an eine themenbezogene Ausstellung gewagt haben, was ja lange nicht gefragt war. Und dann gleich so ein Thema: Die beteiligten Künstler hätten alle sehr positiv reagiert, endlich einmal nicht als einzelne aufzutreten, sondern auch mal mit einem gemeinsamen Thema in einer Gruppenausstellung ihr Werk zu zeigen, sagte Marion Schmid. Der „Freundeskreis“ will an diesem Konzept festhalten und beabsichtigt, weitere Ausstellungen dieser Art folgen zu lassen. Cornelia Gerner
Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28, 10963 Berlin-Kreuzberg
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