piwik no script img

Hitlers Hund mit virtuosem Winseln

■ Das Berliner Ensemble gastiert mit Brechts Parabel Arturo Ui im Schauspielhaus

Jetzt wird sie also endlich auch in Hamburg zu sehen sein – Heiner Müllers berühmte Inszenierung von Brechts Lehrparabel Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui. Das Stück, dessen Uraufführung (1958) Brecht selbst nicht mehr erlebte, hatte Müller 1995 am Berliner Ensemble (BE) inszeniert; zu einem Zeitpunkt, als der Streit um die künstlerische Zukunft des Hauses akut war. Nach seinem Tod hat es einen solch ausdrücklichen Rückbezug auf die eigene Tradition der Brecht-Bühne nicht mehr geben.

Auch das mag ein Grund für den enormen Erfolg der Inszenierung sein; vor allem aber ist er der schauspielerischen Sonderleistung Martin Wuttkes zu verdanken, dem winselnden, hechelnden und durch alle Register spielenden Darsteller des Arturo Ui/Hitler.

Mit hohem Tempo bringt Wuttke dessen Aufstieg auf die Bühne – böse, geltungsgeil. Wie sich diese kriecherische Existenz im Gangstermilieu Chicagos aufbläht zur herrschenden Größe des Gemüsehandels der Stadt und wie sie bei einem Schauspieler in die Lehre geht, um das Sprechen und Diktatorhaltung zu üben. Das ist virtuose Schauspielkunst.

So virtuos, daß sich andere Fragen an Inszenierung und Text gar nicht mehr einstellen wollen: die Frage etwa, ob Wuttkes Spiel allein ausreicht, um die Inszenierung vor dem Einwand der historischen Vereinfachung zu schützen. Adorno hat gegen das 1941 im finnischen Exil Brechts entstandene Stück den Einwand erhoben, daß es mit seiner schlichten Lehrstückspsychologie die Schrecken des Nationalsozialismus verharmlose.

Man wird es am Freitag selbst sehen können, wie sich in der Inszenierung Heiner Müllers die historischen Gewichte verteilen. Auf jeden Fall aber – und soviel sei versprochen – wird es ein Theaterabend der Sonderklasse.

Elisabeth Wagner

Sa, 17. Mai, 19.30 Uhr, So/Mo, 19 Uhr, Schauspielhaus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen