: Streik-Baustellen sind schon ausgeguckt
■ Die rund 10.000 Bremer Bauarbeiter und ihre Gewerkschaft IG Bau stehen bereit, ab dem 22. Mai die Kellen niederzulegen
Bei den rund 10.000 Bremer Bauarbeitern stehen die Zeichen nach dem Scheitern des Schiedsspruches in den Tarifverhandlungen im Baugewerbe seit Anfang der Woche auf Sturm. „Wir haben bereits Aktionen für den ersten Tag des Warnstreiks geplant und uns einige prominente Baustellen im Stadtbereich ausgeguckt“, kündigte Matthias Hartwick, Gewerkschaftssekretär bei der IG Bau Bremen, an. Die Warnstreiks könnten bereits am Vormittag des 22. Mai beginnen. Wenn es bis zum Ende der Erklärungsfrist am 21. Mai zu keiner Einigung zwischen den Tarifparteien kommen sollte, ist die IG Bauen-Agrar-Umwelt bundesweit zum Streik bereit. „Die Kollegen hier auf den Baustellen sind erbittert, stinksauer und wild entschlossen, einen Streik mitzumachen“, sagte Hartwick.
Ende April waren im Arbeitsamtbezirk Bremen 1.351 Beschäftige im Baugewerbe als erwerbslos gemeldet. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter um 11,3 Prozent. „In diesem Winter lag die Arbeitslosenrate im Bremer Baugewerbe bei über 20 Prozent, das sind brutale Zahlen“, kritisierte Gewerkschaftssekretär Hartwick. „Wir haben viel zu lange gewartet, das Maß ist für die Leute voll.“
Bernd Voigt, Geschäftsführer beim Bauindustrieverband Bremen-Niedersachsen, verbreitet noch Zuversicht, die Tarifrunde trotz der Streikankündigungen erfolgreich abzuschließen. „Beim zusätzlichen Urlaubsgeld könnten wir uns noch entgegenkommen“, sagte Voigt. Hauptkritikpunkte der IG Bau bei den Tarifverhandlungen waren eine von 100 auf 80 Prozent gestaffelte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Einschnitte beim Weihnachtsgeld und eine Lohnerhöhung um 1,3 Prozent ab April 1997.
„Gewisse Reduzierungen“bei den Arbeitsplätzen im Bremer Baugewerbe sind nach Einschätzung Voigts auch in den kommenden Jahren zu erwarten. „Es ist alles eine Frage der Konjunktur, und es ist unsere Aufgabe, innovativ zu sein und den Wandel zuzulassen“, argumentierte Voigt. Im Bremer Baugewerbe seien allerdings in den letzten 25 Jahren über die Hälfte der Arbeitsplätze abgebaut worden.
Die Aktionen der IG Bau richten sich bundesweit gegen schlechte Bezahlung und moderne Sklavenarbeit. Angesichts eines erbitterten Konkurrenzkampfes um die billigsten Angebote am Bau stellten die Arbeitgeber in den letzten Jahren verstärkt unterbezahlte Kräfte aus dem osteuropäischen Raum ein. Illegale Bauarbeiter aus der Ukraine erhalten in Berlin einen Stundenlohn, der um drei Mark liegt. „Trotz dieses Hungerlohns müssen diese Menschen noch zwei Drittel des Geldes für Unterkünfte in Containern oder Baracken zahlen“, berichtete IG-Bau Gewerkschaftssekretär Hartwick. In den vergangenen Jahren habe zudem die Zahl der Arbeitsunfälle auf bundesdeutschen Baustellen wegen nicht eingehaltener Sicherheitsbestimmungen zugenommen. „Die Illegalen arbeiten wie Prostituierte, haben Angst und kennen ihre Rechte nicht“, kritisierte Hartwick.
Auf Bremer Baustellen arbeiten viele Arbeiter aus Großbritannien, Irland und Portugal. Sie werden nach den Tarifbestimmungen ihrer Heimatländer bezahlt und erhalten einen geringeren Lohn als ihre deutschen Kollegen. Konkurrenz und Feindseligkeit zwischen deutschen und ausländischen Bauarbeitern sind nicht ungewöhnlich. „Wir bemühen uns, den Kollegen klarzumachen, daß die Arbeitgeber und nicht die ausländischen Kollegen für die schlechte Arbeitssituation auf dem Bau verantwortlich sind“, sagte Hartwick. emv
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